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Die Reform der Unternehmensführung vorantreiben

CAMBRIDGE – Als sie sich Anfang des Monats trafen, forderten Finanzminister und Zentralbanker der G-20 umfassende Verbesserungen der Unternehmensführung. Appelle dieser Art hört man öfter, aber mächtige Interessengruppen erschweren es den Regierungen, auch entsprechend zu handeln. Wenn Reformen also ernsthaft umgesetzt werden sollen, muss der öffentliche Druck stark und beharrlich sein.

Viele Länder gewähren Anlegern in börsennotierten Unternehmen Schutz in einem Ausmaß, der offensichtlich unangemessen ist. Sogar in Ländern mit gut entwickelten Systemen für Unternehmensführung gibt es noch Vereinbarungen, die viel zu lasch mit Unternehmensinsidern umgehen. In den Vereinigten Staaten zum Beispiel genießen Insider Schutz vor Übernahmen, die, so legen es die empirischen Beweise nahe, den Unternehmenswert tatsächlich mindern.

Zu lockere Vorschriften für Unternehmensführung sind nicht notwendigerweise das Ergebnis mangelnden Wissens seitens der Beamten. Oft genug sind es politische Zwänge, die dafür sorgen, dass bereits als ineffizient erkannte Regelwerke in Kraft bleiben.

Der normale Bürger verfolgt Fragen der Unternehmensführung normalerweise nicht. Also erwarten Politiker keine wesentlichen, direkten Auswirkungen ihrer Entscheidungen über den Anlegerschutz auf die Entscheidungen der Wähler. Interessengruppen haben dagegen ein großes Interesse daran, Fragen der Unternehmensführung sehr genau zu verfolgen und sie machen Lobbyarbeit, um für sie vorteilhafte Vorschriften durchzusetzen.

Die Gruppe, die normalerweise den meisten Einfluss hat, ist die der Insider innerhalb der Börsenunternehmen. Unternehmensinsider sind eine besonders mächtige Lobby, weil ihnen die Ressourcen der ihnen unterstehenden Unternehmen zur Verfügung stehen. Sie haben die Macht, die Werbemaßnahmen ihrer Firmen in eine bestimmte Richtung zu wenden, sie können Ämter oder Geschäfte an Familienmitglieder oder Partner von Politikern (oder Politiker im Ruhestand) vergeben oder Themen und Anliegen der Politiker mit ihren Geschäften unterstützen.

Während Insider alle Vorteile genießen, die durch Lobbyarbeit für lockere Vorschriften in Bezug auf Unternehmensführung entstehen, tragen ihre Firmen einen Großteil der Kosten für diese Lobbyarbeit, wodurch ihnen ein Vorteil beim Wettbewerb um den Einfluss auf die Politiker entsteht. Die Lobbyarbeit, die sie auf Kosten ihrer Firmen durchführen, wird von ihren Aktionären subventioniert.

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Während man von einzelnen Investoren nicht erwarten kann, dass sie in die Lobbyarbeit für einen stärkeren Investorenschutz investieren, kann man hoffen, dass institutionelle Anleger dies tun werden – offene Investmentfonds, Banken, Versicherungsgesellschaften usw. Institutionelle Investoren erhalten Fonds von Individuen und investieren sie in Börsenunternehmen. Da institutionelle Anleger erhebliche Summen in derartige Unternehmen investieren, sollten sie über Themen der Unternehmensführung gut informiert sein.

Aber institutionelle Anleger liefern normalerweise kein ausreichendes Gegengewicht zum Lobbyismus durch Unternehmensinsider. Im Gegensatz zu Unternehmensinsidern können institutionelle Anleger die Kosten der Lobbyarbeit nicht den Börsenunternehmen in Rechnung stellen, deren Anlegerschutz in Gefahr ist. Zudem kommt einigen institutionellen Anlegern (zum Beispiel Managern von offenen Investmentfonds) je nach der Beziehung mit ihren eigenen Investoren nur ein Bruchteil des Wertanstiegs ihrer Portfolios durch die Reform der Unternehmensführung zugute. Das reduziert die Bereitschaft institutioneller Anleger, als Gegengewicht zu Insiderlobbyarbeit zu fungieren.

Und damit nicht genug. Diejenigen, die die Entscheidungen für institutionelle Investoren treffen, haben oft Interessen, die eine Lobbyarbeit für stärkere Beschränkungen von Unternehmensinsidern nicht ermutigen. Einige institutionelle Anleger gehören zu börsennotierten Firmen und werden daher von Unternehmensinsidern kontrolliert, denen aufgrund ihrer Interessen mit neuen Einschränkungen nicht gedient ist. Und sogar diejenigen institutionellen Anleger, die nicht zu Börsenunternehmen gehören, haben vielleicht ein Interesse daran, mit diesen Unternehmen Geschäfte zu machen, so dass diese institutionellen Anleger nur ungern Reformen voranbringen, die nicht im Interesse der Unternehmensinsider liegen.

So stellt eine Interessengruppenpolitik einer Reform der Unternehmensführung normalerweise erhebliche Hindernisse in den Weg. Bestimmte Ereignisse, wie eine Serie von Unternehmensskandalen oder ein Börsenkrach, können die normalen Pro-Insider-Abläufe der Interessengruppenpolitik unterbrechen, indem sie die Aufmerksamkeit der Bevölkerung auf das Versagen der Unternehmensführung lenkt.

Wenn die Bevölkerung so erbost ist, dass ihre Wahlentscheidungen dadurch beeinflusst werden, dass Politiker sich unfähig zeigen, den Anlegerschutz zu verbessern, kann die öffentliche Forderung nach einer Reform der Unternehmensführung die Macht von Interessengruppen brechen. Die meisten großen Unternehmensführungsreformen finden tatsächlich unter solchen Umständen statt. In den USA zum Beispiel wurden nach dem Börsenkrach von 1929 neue Sicherheitsgesetze erlassen, 2002 wurde unmittelbar nach dem Zusammenbruch der Internetblase und der Enron- und WorldCom-Skandale der Sarbanes-Oxley Act verabschiedet.

Indem sie eine nachdrückliche öffentliche Forderung nach Reformen schafft, bietet die derzeitige Krise eine weitere Chance, die Unternehmensführung zu verbessern. Diese Chance sollte genutzt werden.

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