sachs319_PAUL ELLISAFP via Getty Images_UKbrexitvote Paul Ellis/AFP via Getty Images

Das britische Wahlsystem ist gescheitert

NEW YORK – In der wichtigsten Frage der modernen Geschichte des Vereinigten Königreichs –ob das Land die Europäische Union verlassen solle oder nicht – hat das britische Wahlsystem ein absurdes Ergebnis hervorgebracht. Eine Mehrheit der britischen Bevölkerung will in der EU bleiben und hat bei der Parlamentswahl am 12. Dezember auch entsprechend abgestimmt. Doch brachte die Wahl eine große Mehrheit für die Konservative Partei hervor, die einen raschen Brexit unterstützt. Der Grund dafür ist so simpel wie verstörend: Das Mehrheitswahlrecht setzt die Stimmung in der Bevölkerung nicht in einigermaßen repräsentative Ergebnisse um.

Beim Mehrheitswahlrecht geht jeder Parlamentssitz an den Kandidaten, der den größten Anteil der Stimmen erringt, unabhängig davon, ob das die Mehrheit ist oder nicht. Wenn also mehrere die Mehrheitsmeinung vertretende Parteien jeweils einen Teil der Stimmen bekommen, setzt sich die Minderheitenmeinung mit einer Minderheit der Stimmen durch.

Man stelle sich als simples Beispiel vor, dass es drei Parteien gibt: Verbleib-1, Verbleib-2 und die Austrittspartei. Man nehme weiterhin an, dass in jedem Wahlkreis 66% der Bevölkerung in der EU verbleiben und 34% austreten wollen, wobei die für einen EU-Verbleib eintretenden Wähler zu gleichen Teilen die beiden Verbleibsparteien unterstützen. Diese erhalten daher in jedem Wahlkreis 33% der Stimmen, während die Austrittspartei den Wahlkreis mit 34% der Stimmen gewinnt. Beim selben Ergebnis in allen Wahlkreisen gewinnt die Austrittspartei mit 34% der landesweit abgegebenen Stimmen 100% der Sitze. In einem landesweiten Verhältniswahlrechtsystem würden die Verbleibsparteien dagegen 66% der Sitze erringen und eine Regierung bilden.

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