A Turkish-backed Syrian rebel fighter speaks with relatives OZAN KOSE/AFP/Getty Images

Zynismus in Syrien

PARIS – In seinem Buch The Grand Strategy of the Byzantine Empireführt der Politikwissenschaftler Edward Luttwak die Langlebigkeit des Byzantinischen Reichs auf die Kunst der byzantinischen Diplomatie zurück. Indem es eher auf Überzeugung, Bündnisse und Eindämmung als auf Gewalt setzte, gelang es dem Oströmischen Reich acht Jahrhunderte zu überdauern – doppelt so lange wie das Römische Reich, aus dem es hervorgegangen war. Während Länder wie die Türkei und die Vereinigten Staaten versuchen einen Umgang mit der äußerst komplexen Situation in Syrien zu finden, täten sie gut daran, sich an die geschickte byzantinische Diplomatie zu erinnern.

Die Offensive der türkischen Armee gegen Gebiete in Nordsyrien, die von Kurden gehalten werden – Amerikas engste Partner im Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat – verdeutlicht, wie komplex die Krise in Syrien wirklich ist. Die Türkei und die USA, beide Gründungsmitglieder der NATO, laufen nunmehr tatsächlich Gefahr, dass es zu einer Eskalation kommt, die in einer direkten Konfrontation zwischen ihren jeweiligen Streitkräften münden könnte – eine Konfrontation, die Russland mit Befriedigung beobachten würde.

Die Türkei erliegt dem simplen Kalkül des Nahen Ostens: Hoheitsgebiet ist gleich Macht. Die Türkei – die ebenso stolz auf ihre osmanische Vergangenheit ist wie besorgt über den  Verlust ihrer einstigen imperialen Größe – hat den naheliegenden Schluss gezogen, dass ihre kurdische Bevölkerung unter keinen Umständen die Kontrolle über türkisches Territorium erlangen darf.

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