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Trump besetzt das Gericht auf seine Art

WASHINGTON, DC – Nach der US-Wahl am 3. November – auch wenn das Endergebnis länger dauern könnte – werden sich in fast der gesamten US-Bundesregierung die parteipolitischen Verhältnisse ändern. Nur das Repräsentantenhaus scheint eindeutig in den Händen derselben Partei zu bleiben (der Demokraten). Der bisher republikanisch dominierte Senat könnte an die Demokraten gehen. Und der konservativ ausgerichtete Oberste Gerichtshof verschiebt sich nun weit nach rechts – nach der Bestätigung des Senats, dass Donald Trumps Kandidatin Amy Coney Barrett den Sitz bekommt, den bisher die kürzlich verstorbene liberale Richterin Ruth Bader Ginsburg inne hatte.

Eine Merkwürdigkeit des US-Systems ist es, dass sogar dann, wenn der demokratische Kandidat Joe Biden die – ihm bereits jetzt durch Gerichtsentscheidungen und Wählerbehinderung in den Weg geworfenen – Hindernisse überwindet und die Wahl gewinnt, die Präsidentschaft mehr als zwei weitere Monate lang in der Hand eines Mannes bleibt, dessen physische und mentale Stabilität bezweifelt werden kann. Was die Verfassung momentan für den Umgang mit der mentalen oder körperlichen Unfähigkeit eines Präsidenten bietet, ist ungeeignet. Über diese heikle Lage wird öffentlich wenig berichtet: Ängstliche Zeitungen zögern, den verrückten Onkel im Weißen Haus überhaupt zu erwähnen, obwohl Trumps Verhalten in letzter Zeit sogar noch abstruser war als üblich – möglicherweise eine Folge seiner COVID-19-Erkrankung und der damit verbundenen starken Medikamente.

Vielleicht verwechselt Trump seinen jetzigen Wahlkampf mit dem von 2016, weil er wieder Hillary Clinton angreift und, aus welchem Grund auch immer, seinen unterwürfigsten Kabinettmitgliedern vorwirft, dass sie Clinton – ebenso wie den ehemaligen Präsidenten Barack Obama und auch Biden – nicht anklagen wollen. Weiterhin wirft er mit nebulösen Angriffen gegen Linksterrorismus und Briefwahlbetrug um sich, obwohl die Washington Post seine Betrugsvorwürfe als wissentlich falsch entlarvt hat.

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