Auf dem Weg zu einer atlantischen Scheidung?

LONDON: Auf beiden Seiten des Atlantik sind zur Zeit Trends zu beobachten, die die 50jährige Zusammenarbeit zwischen Nordamerika und Europa langsam aber sicher untergraben. Wenn diese Herausforderungen zum Schauplatz von Rivalitäten werden, die der einen Seite erlauben, besser gegenüber der anderen dazustehen, dann wird die Welt sehr bald ein weniger friedlicher, stabiler und wohlhabender Ort sein.

Welche Kräfte vermögen das Auseinanderdriften von Amerika und Europa bewirken? Ein Grund ist sicher das Ausmaß, zu dem sich das Interesse Nordamerikas weiter westwärts verlagert. Kalifornien ist schon lange der bevölkerungsreichste US-Staat und hat damit New York verdrängt. Bristisch Columbien spielt eine immer bedeutendere Rolle in Kanada. Silicon Valley und Microsoft liegen beide an der Westküste. Japan bleibt trotz jüngster Schwierigkeiten eine wirtschaftlicher Gigant. Und China bedeutet für die USA einmal als Markt die größte Gelegenheit und dann als Supermachtsrivale das größte Potential.

Bestimmte Handelsdispute haben heutzutage zu dieser brüchigen transatlantischen Beziehung beigetragen. Die Versuche der USA, extra-territoriale Gerichtsbarkeit auszuüben (z.B. der Versuch, Geschäftsmänner aus Großbritannien einen Besuch in Kuba zu verwehren), rufen europäisches Missfallen hervor. Die Haltung Europas zum Import karribischer Bananen und hormon-behandelten Rindfleisches erregen grossen Missmut in Nordamerika. Diese Handelsbeziehung wird in ihrer Handhabung schwierig bleiben, weil die kommerziellen Interessen sich stark unterscheiden. Die Regierungen stellen sich immer mehr auf die Seite ihrer eigenen Firmen. Konflikte sind so unvermeidlich.

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