krauss53_MELINA MARAPOOLAFP via Getty Images_bidenpelosiharris Melina Mara/Pool/AFP via Getty Images

America First à la Biden

STANFORD – Falls sich Amerikas Verbündete wegen der außenpolitischen Bemerkungen in Joe Bidens Rede vor dem Kongress am 28. April Sorgen machen, haben sie allen Grund dazu. Zwar könnte Bidens Agenda für die eigene Wirtschaft – höhere Steuern für Reiche und ein umfassender Ausbau des Netzes zur sozialen Absicherung – kaum weiter von Trump entfernt sein, die von ihm skizzierte Außenpolitik unterscheidet sich jedoch nur wenig von dem verstaubten Credo „America First“ seines Vorgängers.

Wie Richard Haass, der Präsident des Council on Foreign Relations, kürzlich bemerkte, „gibt es in der Außenpolitik mehr Kontinuität zwischen Biden und Trump, als man auf den ersten Blick sieht … der Trumpismus ist noch lange nicht gebannt.“ Bidens Rede war dementsprechend ein merkwürdiger Cocktail: Franklin D. Roosevelts New Deal mit einem kräftigen Schuss Trumpschem Nationalismus.

Als Biden sich zur Außenpolitik äußerte, lag sein Schwerpunkt auf China und den Vereinigten Staaten, also ob es Europa nicht gäbe und die USA diesen Wettbewerb ohne aktive Beteiligung der Europäer gewinnen könnten. Für europäische Ohren klingt das bestimmt ein bisschen zu sehr nach der Verachtung durch Donald Trump. Die USA hätten den Kalten Krieg ohne ihre europäischen Verbündeten nicht gewonnen und werden sich ohne die Mithilfe Europas auch nicht gegen China durchsetzen. In ihrer samtweichen Art stellte Angela Merkel dies kurz vor dem Amtsantritt Bidens klar, indem sie sich in der Europäische Union für einen schnellen Abschluss des Umfassenden Investitionsabkommens mit China stark machte.

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