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Der Imagewandel allein erziehender Mütter

NEW YORK – Im Wahlkampf der US-Präsidentschaftswahl 1992 konnte George H. W. Bushs Team politisch zu punkten, weil man die TV-Serie Murphy Brown attackierte. Zum ersten, aber wahrlich nicht zum letzten Mal wurde eine fiktive Figur benutzt, um in Amerika politisches Kapital zu schlagen. Die von der Schauspielerin Candice Bergen verkörperte Murphy Brown war damals im Fernsehen eine Ausnahmeerscheinung: eine sympathisch dargestellte allein erziehende Mutter. Bushs Vizepräsident Dan Quayle wetterte gegen die Serie, weil Alleinelternschaft als normal hingestellt und nicht stigmatisiert wurde.    

Es folgten ungezählte Lamentos, in denen allein stehende Mütter (zu dieser Zeit niemals Väter)  als Vorboten des Niederganges amerikanischer Grundwerte dargestellt wurden. Die implizite Botschaft war, dass selbstsüchtige, egozentrische Feministinnen (wenn es sich um wohlhabende weiße Frauen handelte) oder unfähige Sozialschmarotzerinnen (im Falle farbiger Frauen mit wenig Geld) ihre eigenen Interessen über die ihrer Kinder stellten. Daniel Patrick Moynihan porträtierte in seiner oftmals zitierten Studie  The Negro Family: The Case for National Action allein erziehende Mütter als primäre Urheberinnen von vorwiegend afroamerikanisch geprägter Kriminalität, des Analphabetismus und Drogenmissbrauchs in amerikanischen Innenstädten.  

Wie sich die Zeiten geändert haben. So wie man damals allein stehende Mütter in irrationaler Weise geißelte, werden sie heute ebenso irrational zu Heiligen stilisiert.(In Europa gibt es zwar mehr Alleinerzieherinnen als in den USA, aber typischerweise hat man dort nicht so sehr das Bedürfnis, auf die eine oder andere Weise ein moralisches Urteil über sie zu fällen). In der amerikanischen Pop-Kultur hat sich die allein stehende Mutter vom egoistischen Yuppie oder der mit Drogen voll gepumpten Schlampe zu einer Frau entwickelt, die lustiger ist, ein bisschen heldenhafter und gewiss weniger altbacken als ihre verheirateten Kolleginnen.

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