Der Aufstieg des schiitischen Petrolistans

Die grausamen Bombenanschläge auf die schiitischen Heiligtümer in Karbala werden eine neue machtvolle Tatsache hinsichtlich des Lebens im Nahen Osten weder ändern noch verschleiern können: Jetzt, wo sich der Staub des Irakkriegs gelegt hat, ist klargeworden, dass die Schiiten aus dem ganzen Konflikt als unerwartete Gewinner hervorgegangen sind. Regierungsstellen, die seit Jahrzehnten die Schiiten brutal unterdrückt hatten, mögen dies vielleicht immer noch abstreiten - die Terroristen, die für die jüngsten Anschläge verantwortlich sind, jedoch nicht. Wie die Schiiten selbst erkennen auch sie sehr wohl, dass die schiitischen Muslime in der gesamten Golfregion erheblich an politischer Macht hinzugewinnen, und sie werden sich ihrer Fähigkeit bewusst sich zu organisieren und sich auf das Geschenk zu besinnen, das buchstäblich unter ihren Füßen liegt: Öl.

Nach Jahren der Unterdrückung durch das Regime Saddam Husseins kosten die Schiiten erstmals wieder den Geschmack der Freiheit - und sie spornen ihre religiösen Glaubensbrüder rund um den Golf ebenfalls zur Durchsetzung ihrer Forderungen an. Sie sind sich nun auch der Tatsache bewusst, dass durch einen geografischen Zufall die weltgrößten Ölvorkommen ausgerechnet in Regionen liegen, in denen sie die Mehrheit bilden: im Iran, im Ostteil Saudi-Arabiens, in Bahrain und im südlichen Irak. Herzlich willkommen also zur neuen Nationengemeinschaft "Petrolistan"!

Die neu entdeckte Macht der schiitischen Muslime in dieser unbeständigen Region stellt sowohl für die alten sunnitischen Establishments, die noch an der Macht sind - außerhalb des Irans - als auch für die USA eine größere Herausforderung dar. Die Zeiten der schiitischen Unterwürfigkeit sind endgültig vorbei.

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