Das Genomversprechen erfüllen

WIEN – Für die meisten Menschen ist ein Versprechen ein Grund, etwas zu erwarten, eine begründete Hoffnung ohne Übertreibung. Und ein Versprechen in diesem Sinne verbindet Wissenschaft und Gesellschaft: Die Öffentlichkeit vertraut darauf, dass wissenschaftlicher und technischer Fortschritt der Schlüssel ist, mit dem man sich auf dem ungewissen Weg in eine bessere Welt, in der künftige Generationen länger, gesünder und glücklicher leben können, zurechtfindet.

Erstmalig wurde dieses Versprechen vor fast 400 Jahren mit der Institutionalisierung der modernen Wissenschaft gegeben. Nachdem festgestellt wurde, dass man mithilfe der Mathematik die physische Welt verstehen konnte, wandte sich eine kleine Gruppe von Naturphilosophen mit konkreten Zielen dem experimentellen Empirismus zu. Die von dieser Minderheit angeführte wissenschaftliche Revolution eroberte Europa und breitete sich später in der übrigen Welt aus.

In seiner Instauratio Magna vermittelte Francis Bacon, einer der wortgewandtesten Befürworter der modernen Wissenschaft, eine Vision von einer neuen Welt, die durch die systematische Erforschung natürlicher Phänomene verwandelt wird. Indem man die Natur nachahme und beuge, erklärte er, würden ihre Geheimnisse offenkundig – und könnten so dazu benutzt werden, das menschliche Leben zu verbessern. Bacons pragmatisches Ziel, das wissenschaftliche Verständnis natürlicher Ursachen einzusetzen, um „alle möglichen Dinge zu bewirken“ (was heutzutage als Innovation bezeichnet wird), war das ursprüngliche Versprechen der Wissenschaft an die Gesellschaft und bildete den Kern der Aufklärung.

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