Die Armutsfalle

LONDON: Nur wenige Diskussionen sind gebetsmühlenartiger - und ideologisch verkalkter - als diejenigen über ökonomisches Wachstum und ökonomische Gerechtigkeit. Wachstum ist natürlich keine Garantie dafür, dass materieller Wohlstand gerecht - von Gleichmässigkeit erst garnicht zu sprechen - verteilt wird. Aber die Vorstellung, dass sinkende Einkommen der Welt mehr Gerechtigkeit bringen, ist unmöglich.

Weder die intensität dieser Argumente noch Berge aufschlussreicher Daten können mich von dem Gefühl befreien, dass diese Debatte festgefahren und verkümmert ist: Sie ist festgefahren, weil sich über die Feststellung hinaus, dass Wachstum eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung zur Verringerung von Armut ist, unsere Vorstellung über diese Sache im Laufe der Jahre wenig geändert hat. Und sie ist verkümmert, weil diese Argumente zwei elementare Dinge vermissen lassen. Erstens fehlt eine eindeutige Aussage dessen, wie Gerechtigkeit gemessen werden soll, und besonders die unmittelbaren Zusammenhänge zwischen, sagen wir mal, Kinderarbeit und Hunger. Das zweite fehlende Element ist die Bedeutung nicht-materieller Faktoren bei der Bewertung dessen, wie materielle Güter sowohl in reichen als auch in armen Ländern verteilt sind.

All diese verbrauchten Argumente wurden letzte Woche auf dem G8-Gipfel in Okinawa wiederholt. Konventionelle Ökonomen und Politiker hatten keine Schwierigkeiten darzulegen, dass die Errichtung und Entwicklung eines geordneten, offenen Welthandelssystems einen neuen außerordentlichen Wohlstand schaffen würden. Derartige “Beweise” aber beeindruckten ihre Gegner nur wenig, die lautstark behaupten, dass die Globalisierung Armut und Ungleichheit verschärft und gleichzeitig Gesellschaften und Umwelt ruiniert.

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