a6a4650246f86f900c043435_dr1851c.jpg Dean Rohrer

Die griechische Krise und darüber hinaus

NEW YORK:   Die Führer des Euroraums sehen sich derzeit wachsender Unsicherheit an den Finanzmärkten über die die Finanzen Griechenlands und anderer Mitgliedsstaaten gegenüber. Ihre öffentlichen Aussagen allerdings, obwohl etwas unverbindlich, lassen eine sehr viel größere Story erkennen – und zwar eine, die Unternehmen und Investoren zwingen wird, ihre Annahmen über Europas wirtschaftliches, finanzielles und politisches Umfeld zu hinterfragen.

Lassen Sie uns zunächst mit einem mächtigen, sich derzeit herausbildenden Mythos aufräumen. Griechenlands Schwierigkeiten haben einige dazu ermuntert, laut darüber nachzudenken, ob die Eurozone ihre zunehmenden internen Ungleichgewichte überleben kann. Derartige Zweifel jedoch ignorieren die politischen und kulturellen Faktoren, die ein tiefes europäisches Bekenntnis zur Bewahrung der Währungsunion stützen.

Der Euro wurde teilweise eingeführt, um die Effizienz den Binnenmarkt effizienter zu machen und Währungsschwankungen zu verhindern. Doch er ist zugleich das Produkt einer tief verwurzelten europäischen Überzeugung, dass transnationale Institutionen und wirtschaftliche Interdependenz dazu beigetragen haben, während der vergangenen sechs Jahrzehnte auf dem Kontinent Frieden zu schaffen und zu halten. Und in einer Welt schwacher multilateraler Institutionen – darunter einer G20, die unter wesentlichen Meinungsunterschieden bei grundlegenden Fragen leidet – ist es wichtiger denn je, dass die Regierungen des Euroraums ihren gemeinsamen Einfluss in einem unsicheren, so nie da gewesenen konkurrenzbetonten globalen Umfeld stärken.

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