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Die ewige Mauer

PARIS: Mauern, die dem Ziel dienen, Menschen ein- oder auszusperren – sei es in Berlin, Nicosia, Israel oder Korea – sind immer das Produkt von Furcht: Furcht der ostdeutschen Führung vor einem Massenexodus ihrer nach Freiheit und Würde strebenden Bürger, der Führer der griechischen und türkischen Zyprioten vor einem andauernden Krieg, der Israelis vor dem Terrorismus oder der nordkoreanischen Führung, dass ihr ihr gemartertes Volk davonlaufen könnte. Einen fragilen Status quo festzuschreiben, die eigene Position zu konsolidieren oder sich von anderen, die als Versuchung oder Bedrohung (oder beides) wahrgenommen werden, abzuschotten – das waren immer schon die Ziele von Politikern, die Mauern errichten.

Warum besteht so ein Unterschied zwischen dem Schicksal Berlins – heute eine Hauptstadt, in der die Fortschritte der Gegenwart langsam die vielen Narben der Vergangenheit überdecken – und jenem Nicosias, wo die Zeit stillsteht, oder Israels, dessen „Sicherheitswall“ wie eine frische Narbe immer größer wird, von der unwahrscheinlichen Konsolidierung des nordkoreanischen Regimes hinter Mauern der Paranoia und Unterdrückung gar nicht zu reden?

Um diese unterschiedlichen Situationen zu begreifen, muss sich den Willen der Menschen bewusst machen, ihre Mauern einzureißen (im Falle Ostdeutschlands), auszubauen (Israel) bzw. festzuschreiben (Zyperns, nordkoreanische Regierung). Natürlich sind die Qualitäten der jeweiligen Führer, oder der Mangel derselben, ebenfalls ein wichtiger Faktor.

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