Die Wirtschaft der Angst

Die Weltwirtschaft scheint auf dem Wasser zu gehen: Steigende Ölpreise, politische Lähmung in Europa, unhaltbare Kreditaufnahme durch die Vereinigten Staaten und Immobilienpreise in Rekordhöhe nimmt sie gelassen hin. Kommt das daher, dass die Investoren – wie die G8-Machthaber uns einreden wollen – in guter Stimmung und zuversichtlich sind, dass ihre Führer die Weltwirtschaft im Griff haben? Oder werden wir von einem pathologischen Gefühl der Unsicherheit beherrscht, das – genährt von Ereignissen wie den jüngsten Bombenanschlägen in London –, die langfristigen Zinssätze niedrig hält und dadurch eine Vielzahl schwelender Probleme überdeckt?

Die Rolle der phänomenal niedrigen langfristigen (inflationsbereinigten) Zinssätze bei der Vertuschung etlicher Schwächen der Weltwirtschaft ist nur zu offensichtlich. Weltweit steigende Hauspreise stützen in vielen Ländern die Verbrauchernachfrage, und laut einer neueren Studie des Internationalen Währungsfonds erklären die ständig fallenden langfristigen Zinssätze mindestens zwei Drittel des globalen Preisanstiegs. Europa hat davon weniger profitiert, doch stünden die europäischen Volkswirtschaften wesentlich schlechter da, wenn die langfristigen Zinssätze auf den Durchschnitt der letzten 25 Jahre zurückkletterten.

In gleicher Weise boomte auch Lateinamerika in den letzten Jahren trotz hoher Schuldenlast und unterschiedlichster politischer Reformen. Niedrige langfristige Zinssätze haben die Schulden der Region auf überschaubarem Niveau gehalten, während eine hohe Verbrauchernachfrage dazu beigetragen hat, die Preise für die Warenexporte der Region in die Höhe zu treiben.

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