Die Krise der thailändischen Demokratie

Ein Jahr nach seiner erdrutschartigen Wiederwahl war der thailändische Ministerpräsident Thaksin Shinawatra nun gezwungen, die Nationalversammlung aufzulösen und vorgezogene Neuwahlen auszurufen. Obwohl seine Partei, die Thai Rak Thai (TRT), eine Dreiviertelmehrheit in der Versammlung innehat, ist Thaksin angeschlagen. Er ist nach wie vor enorm beliebt bei den ländlichen Wählern und den städtischen Armen, die mehr als 60% der thailändischen Wählerschaft ausmachen, aber er kämpft gegen einen glühenden, von Bangkok ausgehenden Aufstand der Intelligenz und der Mittelschicht gegen seine Herrschaft.

Diese bezichtigen Thaksin, Thailands reichsten Unternehmer, der Korruption und des Verrats, weil er die im Besitz seiner Familie stehende Shin Corporation steuerfrei für 1,9 Milliarden Dollar an die dem Staat Singapur gehörende Temasek Holdings verkauft hat. Die rapide Wende, die Thaksins politisches Schicksal genommen hat, lässt sowohl die Beschränkungen erkennen, denen Wahlen unterliegen, als auch die demokratischen Defizite, die inzwischen eine Vielzahl von Entwicklungsländern befallen haben – darunter auch Nachbarstaaten Thailands in der Region wie die Philippinen.

Bis vor kurzem schien Thaksin gleichermaßen unabgreifbar zu Hause wie kühn und glaubwürdig im Ausland. Er nutzte in Thailand herrschende tiefe Kluft zwischen Stadt und Land aus und erzwang im Jahre 2001 mittels eines populistischen Wahlprogramms seinen Weg an die Macht. Thaksin schürte den nationalen Stolz und versprach der thailändischen Landbevölkerung, dass ihr Land nach der verheerenden Wirtschaftskrise des Jahres 1997 zur Größe aufsteigen würde.

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