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Die amerikanische Ordnung auf den Kopf gestellt

PARIS – In Washington wird der Eifer der Franzosen in Libyen einzugreifen mit einer Mischung aus Erleichterung und Verblüffung betrachtet. Die Amerikaner verzichten gern auf diese Aufgabe und sind froh, dass jemand anderer sie übernimmt. Tatsächlich hat die Interventionsbereitschaft des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy (an der Seite des britischen Premierministers David Cameron) dazu beigetragen, eine gefährliche Kluft zwischen der Welt der „Werte“, die das unmittelbare amerikanische Eingreifen gegen Muammar al-Gaddafi erfordern würde, und der Welt der „Interessen“ zu schließen, die Präsident Barack Obama zur Zurückhaltung nötigt.

Amerikas Strategie scheint darin zu bestehen, Gaddafis Regime mit einer Kombination aus finanziellem, wirtschaftlichem und sogar „psychologischem“ Druck von der Macht zu verdrängen. Ziel ist es, den Oberst von den Quellen der Unterstützung abzuschneiden, die in seinem inneren Kreis vorhanden sind. Das ist eine kluge Vorgehensweise, die letztlich funktionieren kann. Allerdings wird wahrscheinlich viel Zeit vergehen, bis Resultate vorliegen.

Die Entschlossenheit, die Frankreich an den Tag legt, sorgt zwar für Erleichterung unter den Amerikanern, sie können aber nicht umhin, eine gewisse Verständnislosigkeit zum Ausdruck zu bringen: Wissen die Franzosen wirklich, worauf sie sich einlassen? Was ist mit ihnen passiert? Wir wissen, was Krieg bedeutet, aber sie haben es offenbar vergessen!

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