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Tea Time in Amerika

NEW YORK – Seit im letzten Monat der erste „Tea-Party-Kongress“ in Nashville, Tennessee, mit Sarah Palin als Hauptrednerin stattgefunden hat, reagieren die etablierten US-Medien und das politische Establishment in Amerika mit einer Mischung aus Besorgnis und Verachtung. Nancy Pelosi, die Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, bezeichnete die Tea-Party-Anhänger als Nazis, während die Mainstream-Medien dazu tendieren diese als ignorant und provinziell zu porträtieren, als passiven Pöbel mit sensiblen Gefühlen aber geringer Analysefähigkeit, aufgehetzt und manipuliert von Demagogen, die ihre eigenen Pläne vorantreiben.  

Das notorische Dauergekränktsein der Tea Party – und ihre Zusammensetzung aus größtenteils weißen, wütenden Wählern aus der Mittelschicht – sind in den Vereinigten Staaten tief verwurzelt, ein Phänomen, das in Zeiten des Wandels auftaucht. Beobachter, die Vergleiche zu den Know-Nothings gezogen haben, einer rassistischen, paranoiden, Katholiken und Einwanderern feindlich gesonnen Partei, die in den 1850er Jahren aufgekommen ist, bleiben mit ihrer Einschätzung der Bewegung jedoch viel zu sehr an der Oberfläche.

Wer diese Bewegung verhöhnt und nicht ernst nimmt, tut es auf eigene Gefahr. Einige Tea-Party-Anhänger mögen zwar rassistisch sein oder sich abseitigen Themen widmen – wie etwa der Gültigkeit der Geburtsurkunde von Barack Obama –, doch der weitaus größere Teil, diejenigen, die sich ursprünglich an der Basis für die Bewegung engagierten, konzentriert sich auf sachlich gehaltvolle Themen. Wenn man ihnen tatsächlich zuhört und nicht nur Berichte liest, die durch den Vexierspiegel der Mainstream-Medien vermittelt werden, erfährt man etwas über gravierende Missstände und stößt auf einige Vorschläge, die ihrer Zeit sogar voraus sind.

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