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Die Anatomie der politischen Lähmung Spaniens

NEW YORK – Die spanischen Sozialisten, die unter der Führung von Ministerpräsident Pedro Sánchez mit 123 von 350 Sitzen im Parlament die Wahl im letzten Monat gewonnen haben, möchten nun regieren. Sánchez braucht dazu die Unterstützung der linksradikalen Podemos-Partei und das Einverständnis der baskischen und katalanischen Nationalisten. Aber niemand sollte erwarten, dass er schnell eine Regierung bildet. Spaniens endloser Kreislauf uneindeutiger Wahlergebnisse geht weiter.

Die politische Lähmung Spaniens hat mehrere Gründe: Entscheidend ist der Zusammenbruch der Volkspartei Partido Popular (PP). Innerhalb der spanischen Politik ist allein diese Entwicklung schon katastrophal. In den vier Jahrzehnten seit dem Ende der Diktatur hat die PP die spanische Rechte demokratisch vereint und dafür gesorgt, dass sie sich hinter die Verfassung von 1978 stellt – die mit 300 Jahren politischer Tradition brach, indem sie den spanischen Staat radikal dezentralisierte.

Bei den letzten Wahlen verlor die PP jeweils gleich viele Stimmen an Ciudadanos und Vox. Fast 50% ihrer parlamentarischen Vertreter wurden abgewählt, von bisher 137 konnte sie nur noch 66 Sitze behalten. Ciudadanos, eine liberale Mitte-Rechts-Partei, die in Katalonien gegründet wurde, um sich der Sezession zu widersetzen, ist streng konstitutionalistisch und stellt in der spanischen Partei eine Art Neuheit dar: die erste überlebensfähige nationale Partei, deren führende Politiker in Barcelona leben und katalanisch sprechen. Sie ist reformistisch eingestellt und setzt sich für institutionelle Reformen ein, um die langfristige Nachhaltigkeit des Wohlfahrtsstaats zu sichern. Und sie ist diejenige europäische Partei, die am stärksten der La République En Marche! des französischen Präsidenten Emmanuel Macron ähnelt.

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