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Die Sicherung der Energiezukunft

PALO ALTO – Ein nicht geringer Teil der immensen globalen Energieprobleme von heute lässt sich darauf zurückführen, dass die drei größten Industriesektoren der Welt heute noch Businesspläne verfolgen, die im Wesentlichen aus dem 19. Jahrhundert stammen.   

Die Elektrizitätsversorger verbrennen immer noch größtenteils fossile Brennstoffe und verkaufen den Strom an Privatpersonen und Firmen. Die Ölfirmen bohren nach wie vor nach Erdöl, raffinieren es und verkaufen es hauptsächlich als Benzin und Diesel. Die Autohersteller biegen noch immer Stahl und verarbeiten es zu Fahrzeugen, die in den meisten Fällen von Treibstoffen auf Erdölbasis angetrieben werden müssen.

Bis vor kurzem bewegte man sich gemütlich auf den ausgetretenen und gewohnten Pfaden des 19. Jahrhunderts in Richtung des  21.Jahrhunderts. Auch war es jedem dieser Industriegiganten gelungen, Regierungen so weit zu bringen, sie vor notwendigen grundlegenden Veränderungen zu bewahren.

Aufgrund jüngster Entwicklungen allerdings entstehen für diese Sektoren zunehmend ungemütliche Bedingungen. Viele Beobachter konstatieren gar heraufziehende Stürme epischen Ausmaßes. Was ist geschehen?

Zunächst haben Beweise für den Klimawandel beinahe alle Klimatologen und zahlreiche andere informierte Beobachter überzeugt, dass unser aktueller Ansatz bei Produktion und Verbrauch von Energie für die Biosphäre überaus gefährlich ist. Da Veränderungen der Kohlendioxidemissionen im Gegensatz zu anderen Schadstoffen wie Schwefeldioxid und Stickstoffdioxid nicht so leicht nachzuweisen sind und weil CO2 in der Atmosphäre über Jahrhunderte bestehen bleibt, ist das Problem einer Reduktion der Konzentration viel schwieriger zu lösen als andere Umweltprobleme.

Ebenso wenig sind wir an den Umgang mit einem möglichen exponentiellen Klimawandel gewöhnt. Phänomene wie die Erderwärmung führen nämlich zur Freisetzung von Kohlenstoff aus der Tundra, wodurch die Erwärmung noch beschleunigt wird. Außerdem ist die öffentliche Diskussion durch eine „Alles-oder-nichts“-Haltung geprägt. Wenn ein Teil des Klimawandels natürliche Ursachen hat (wie etwa das Kippen der Erdachse über einen Zeitraum von Jahrtausenden), so die Behauptung der Klimaskeptiker, kann auch kein anderer Teil des Klimawandel von Menschen verursacht sein.  

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Und doch haben wir allen Grund den Versuch zu unternehmen, zumindest die vom Menschen verursachte Komponente des Klimawandels aufgrund der CO2-Emissionen und anderer gefährlicher Praktiken wie die Abholzung von Wäldern abzuschwächen.

Überdies bestehen zunehmend Befürchtungen hinsichtlich zweier energiebedingter Sicherheitsprobleme: Einerseits das Risiko von Gewalt aufgrund der Struktur unserer Energienutzung und andererseits die hohen Kosten dieser Energie.

Das Hauptrisiko von Gewalt aufgrund der Beschaffenheit unseres Elektrizitätssystems ist die Gefahr großflächiger Stromausfälle nach physischen oder virtuellen Angriffen auf das zunehmend fragile Übertragungs- und Verteilungsnetz.  

Hinsichtlich des im Transportwesen nach wie vor dominierenden Öls ist festzustellen, dass Ölimporteure aufgrund der hohen Konzentration kostengünstig zu verwertender Lagerstätten im Nahen Osten zu Geißeln sowohl terroristischer Anschläge auf die Infrastruktur als auch monopolistisch diktierter Preise werden. Wenn es die OPEC für nötig hält, setzt sie auf  Förderkürzungen, um Preise auf einem Niveau zu halten, das mindestens eine Zehnerpotenz höher liegt als es Produktionskosten plus angemessener Erträge rechtfertigen würden.  

Paul Collier von der Universität Oxford stellt dazu fest, dass es sich bei den größten Ölexporteuren vorwiegend um Diktaturen und autokratische Königreiche handelt und dies ein Hinweis darauf ist, dass dort, wo enorme Renditen erzielt werden, auch Druck gegen ökonomische Diversifizierung und Demokratisierung ausgeübt wird. Der größte Teil des Terrorismus wird letztlich durch Öleinnahmen finanziert.

Am meisten leidet das ärmste Sechstel der Weltbevölkerung - die von Collier so bezeichnete „unterste  Milliarde“ - unter den hohen Ölpreisen. Enorme Staatsschulden und kostspieliger Strom stellen schon für relativ wohlhabende Länder ein Problem dar, aber für Afrika südlich der Sahara und den Rest der armen Länder sind sie ein Desaster.

Wie könnten nun Lösungen aussehen? Zunächst müssen wir laut Energieaktivistin Anne Korin dafür sorgen, dass wir mit Öl das Gleiche erreichen wie vor einem Jahrhundert mit Salz. Das Küchengewürz war über Jahrtausende ein strategischer Rohstoff. Es wurden sogar Kriege um Salz geführt, weil es die einzige Möglichkeit bot, Fleisch haltbar zu machen. Aber mit der Erfindung der Elektrizität und damit der Möglichkeit des Kühlens und Einfrierens endete das Salz-Monopol relativ rasch. Salz ist immer noch ein wertvolles Gut, aber niemand betrachtet Salzlagerstätten als Instrumente der Macht und nationalen Einflusses. Öl muss unbedingt ein ähnliches Schicksal ereilen.

Im Beförderungswesen kann dem Öl-Monopol teilweise durch Elektrifizierung der Garaus gemacht werden (durch Plug-in-Hybridfahrzeuge beispielsweise) und auch durch Biotreibstoffe der zweiten Generation wie etwa Butanol aus Zellulose sowie anderen Biotreibstoffen auf Basis von Algen und Abfallstoffen.

Aus Studien geht eindeutig hervor, dass aufgrund der Elektrifizierung von Fahrzeugen bei entsprechender tageszeitbedingter Preisgestaltung nur wenig Bedarf an neuen Elektrizitätswerken geschaffen wird. Selbst mit der heutigen auf Kohle basierenden Stromerzeugung stoßen diese elektrifizierten Fahrzeuge weniger CO2 aus als Fahrzeuge mit Benzin- und Dieselmotoren. Und wenn nun auch die  CO2 –Emissionen in der Stromerzeugung verringert werden, nimmt auch die Rolle der Fahrzeuge als Emissionsquelle ab.

Es ist von entscheidender Bedeutung, die Effizienz des Stromverbrauchs zu verbessern, vor allem bei der Beleuchtung, die für einen sehr großen Teil des Bedarfs verantwortlich ist. LED-Lampen übernehmen langsam die Führungsrolle. Zahlreiche Länder können auch viel von Dänemarks kreativer Abwärmenutzung für die Energieerzeugung lernen.  

Die Solarenergie tritt ebenfalls wesentlich mehr in den Vordergrund, vor allem für kleinere Unternehmen und private Haushalte. Deutschland hat mit seinem Einspeisungstarif die Führerschaft  bei der Förderung dieser Art der Energiegewinnung übernommen. Dieser Ansatz wird nun erstmals auf Ebene der Bundesstaaten in den USA übernommen.

Kostenreduktionen bei Sonnenenergie, Effizienzsteigerungen und deutlich verbesserte Batterien sowie andere Methoden der Stromspeicherung sind überaus hilfreich wenn es darum geht, eine Welt der zunehmend dezentralisierten Energieerzeugung auf Grundlage erneuerbarer Quellen zu ermöglichen. Das wiederum verspricht größere Freiheit von den Gefahren unserer anfälligen Stromnetze und unserer Abhängigkeit von Öl.  

https://prosyn.org/WJqoQP0de