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Sarkozy wählt die Schande

PARIS – „Großbritannien und Frankreich hatten die Wahl zwischen Krieg und Schande. Sie haben die Schande gewählt und werden den Krieg bekommen.” Winston Churchills berühmte Kritik an der britischen und französischen Verzögerungstaktik am Vorabend des Zweiten Weltkriegs sollte dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy eine Warnung sein. Für das bösartige Schüren von Emotionen gegen Einwanderer, um kurzfristiges politisches Kapital zu schlagen, wird er zuerst Schande ernten und dann die Niederlage bekommen. Denn obwohl heute eine Mehrheit der Franzosen mit Sarkozys Rhetorik der Einwanderer-Beschimpfung sympathisiert, ist das keine Garantie, dass sie ihn im Jahr 2010 auch wiederwählen werden.

Dabei lehnen die meisten Franzosen gar nicht so sehr Sarkozys Amtsführung ab, als vielmehr seine Art. In Zeiten steigender Arbeitslosigkeit und Zukunftsangst brauchen die Franzosen eine in sich ruhende Vater- oder Mutterfigur und keinen nervösen und manipulativen Staatschef, der bereit ist, ethische Belange und die stolze französische Tradition der Gleichbehandlung aller Bürger vor dem Gesetz, über Bord zu werfen.

Kein Blatt vor den Mund nahm sich der ehemalige französische Premierminister Michel Rocard zu Sarkozys jüngsten Vorschlägen, in Frankreich geborenen Bürgern, die Staatsbürgerschaft zu entziehen, wenn diese wegen versuchter Tötung von Polizisten, Polygamie oder „Beschneidung“ von Frauen verurteilt werden.  „Solche Maßnahmen hat man seit der Zeit des Vichy-Regimes oder der Nazis nicht mehr gesehen“, erklärte Rocard. Die Gleichsetzung Sarkozys mit Marschall Pétains kollaborativen Vichy-Regime ist natürlich übertrieben, aber Rocards Bedenken werden von vielen Franzosen geteilt – nicht nur von Intellektuellen und Experten.  

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