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Putins konstitutionelle Autokratie

MOSKAU – Vor ein paar Monaten stimmten Gesetzgeber und Wähler in Russland einer Verfassungsänderung zu, die es Präsident Wladimir Putin erlauben würde, die Begrenzung seiner Amtszeit neu zu definieren und seine Amtsperiode bis 2036 auszudehnen. Selbst wenn er sich dafür entscheidet von dieser Option keinen Gebrauch zu machen, würde ihn ein Gesetzesvorschlag, der die strafrechtliche Immunität ehemaliger russischer Präsidenten stark ausweitet, vor Strafverfolgung schützen. Weitere Verfassungsänderungen legen den Vorrang des russischen Rechts vor internationalem Recht fest, definieren die Ehe als Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau und schützen den offiziellen historischen Diskurs vor Verfälschungen.

Was sagen uns diese Veränderungen über den Zustand der russischen Staatlichkeit?

Länder ändern ihre Verfassungen, wenn sie bedeutsame soziale und politische Umwälzungen durchlaufen. So kam es beispielsweise im Europa der Nachkriegszeit zu einer Welle neuer Verfassungen wie etwa 1946 in Frankreich und 1949 mit der Einführung des Grundgesetzes in Westdeutschland. Nachfolgende politische Umwälzungen, wie die Algerienkrise, führten 1958 zu einer neuen französischen Verfassung und zur Gründung der Fünften Republik. Und in den 1970er Jahren gaben sich Griechenland, Portugal und Spanien neue Verfassungen, nachdem sie sich der Militärdiktaturen entledigt hatten.

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