President of Russia, Vladimir Putin Prensa Internacional via ZUMA Wire

Putins syrisches Roulette

LONDON – Zwei Tragödien der letzten Zeit – der Absturz eines russischen Zivilflugzeugs über der Halbinsel Sinai und die Terroranschläge von Paris zwei Wochen später – scheinen in einer Frage Einigkeit zwischen Russland und dem Westen herzustellen: der Islamische Staat (ISIS) gehört beseitigt. Ein genauerer Blick auf die russischen Militäroperationen in Syrien – vom Abschuss eines russischen Kampfflugzeugs durch die Türkei ganz zu schweigen – lässt allerdings erkennen, dass es verfrüht wäre, daraus den Schluss zu ziehen, die Ziele Russlands und des Westens ließen sich in Einklang bringen.  

Natürlich behauptet Russland, seine Intervention in Syrien ziele auf eine Niederlage des Islamischen Staates und „anderer Terroristen“ ab. Doch laut Angaben des US-Außenministeriums richteten sich über 90 Prozent der russischen Luftangriffe bislang nicht gegen ISIS oder die mit der Al-Qaeda verbundene Al-Nusra-Front, sondern gegen bewaffnete Gruppen, die sowohl gegen ISIS als auch gegen den russischen Verbündeten, den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad, kämpfen. Tatsächlich gelang es ISIS in Aleppo seit Beginn der Luftschläge sogar noch vorzurücken.

Das soll nicht heißen, dass die Zerstörung der ISIS nicht auf der Tagesordnung des russischen Präsidenten Wladimir Putin steht. Das ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sehr wohl der Fall. Aber er verfolgt auch andere Ziele: nämlich den Schutz des Regimes Assad, den Ausbau der Militärpräsenz und des politischen Einflusses Russlands im östlichen Mittelmeerraum und im Nahen Osten sowie vielleicht auch auch die Anhebung des Ölpreises.

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