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Wessen Rechtsstaatlichkeit?

CAMBRIDGE – In den frühen 2000er-Jahren herrschte unter den akademischen Juristen ein nahezu einhelliger Konsens darüber, dass das Fehlen von Rechtsstaatlichkeit ein reines „Dritte-Welt-Problem“ sei – also eines, das die fortgeschrittenen Volkswirtschaften des globalen Nordens gelöst hätten. Doch nur etwas mehr als ein Jahrzehnt später wählten die Vereinigten Staaten einen Mann zum Präsidenten, der später einen Aufstand im US-Kapitol anzettelte, sich verschwor, um eine verlorene Wahl zu kippen, nach seinem Ausscheiden aus dem Weißen Haus geheime Dokumente entwendete und schließlich die „Abschaffung“ der US-Verfassung forderte.

Wie konnte ein Problem der „Dritten Welt“ auch zu einem Problem der „Ersten Welt“ werden? In der Tat war es immer so. Die angeblichen Unterschiede zwischen dem Globalen Norden und dem Globalen Süden waren schon immer ein Produkt kolonialen Triumphalismus und entsprachen nicht einer genauen wissenschaftlichen Taxonomie.

Dies war die zentrale Erkenntnis von „Recht und Entwicklung“, einem angeschlagenen Forschungsgebiet, das in den 1970er-Jahren zu (bescheidener) Bekanntheit gelangte. Auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges drängten Organisationen wie USAID und die Ford Foundation Juraprofessoren und Rechtswissenschaftler dazu, ein aktiveres Interesse an der Evangelisierung des Rechts nach westlichem Vorbild zu zeigen (was ein bisschen so ist, als würde ein Pharmaunternehmen ein Labor dafür bezahlen, dass es die Wirksamkeit eines seiner eigenen Medikamente „feststellt“). Doch wie eine kleine Gruppe von Rechts- und Entwicklungswissenschaftlern feststellte, ist das Recht nicht immer „wirksam“ oder „gut“, selbst wenn es „zu Hause“ im Westen ist.

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