Lehren aus dem Kosovo

LONDON – Die kürzlich erfolgte Unabhängigkeitserklärung des Kosovo hat bei mir Erinnerungen wachgerufen. Im März 1999 bezog ich öffentlich Position gegen den NATO-Angriff auf Serbien – der im Namen des Schutzes der Kosovaren vor serbischen Gräueltaten vorgenommen wurde.  Damals saß ich im britischen Oberhaus vorne auf der so genannten „Front Bench“ der Opposition  - auch als Schattenkabinett bekannt. Der damalige konservative Parteichef William Hague verbannte mich daraufhin umgehend auf eine der Hinterbänke. Damit endete meine (unbedeutende) politische Karriere. Seitdem frage ich mich, ob ich damals richtig oder falsch lag.

Ich war aus zwei Gründen gegen eine militärische Intervention. Erstens, weil eine derartige Intervention lokal zwar positiv gewesen wäre, aber die Regeln der internationalen Beziehungen wie man sie damals verstand, verletzt hätte. Die UNO-Charta wurde konzipiert, um den grenzüberschreitenden Einsatz von Gewalt zu verhindern. Als Ausnahmen sind Selbstverteidigung und vom Sicherheitsrat angeordnete Zwangsmaßnahmen vorgesehen.  Menschenrechte, Demokratie und Selbstbestimmung sind keine akzeptablen legalen Gründe für einen Krieg.

Zweitens argumentierte ich, dass es wohl Fälle geben mag, bei denen die Menschenrechtsverletzungen so schwerwiegend sind, dass man ungeachtet des Völkerrechts moralisch verpflichtet ist, einzugreifen. Allerdings war der Kosovo kein solcher Fall.  Ich betrachtete die „drohende humanitäre Katastrophe“ die diese Intervention angeblich hätte verhindern sollen, größtenteils als Erfindung. Ich argumentierte überdies, dass nicht-militärische Mittel zur Lösung der humanitären Frage im Kosovo bei weitem nicht ausgeschöpft waren und dass die gescheiterten Rambouillet-Verhandlungen mit Serbien im Februar und März 1999, wie Henry Kissinger es formulierte, „lediglich eine Ausrede waren, um mit dem Bombardement zu beginnen“.

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