guriev24_ Peter KovalevTASS via Getty Images_putin broadcast Peter Kovalev/TASS via Getty Images

Putins inhaltsleerer Staatsstreich

PARIS – Wladimir Putin unternimmt derzeit möglicherweise Vorbereitungen, um bis weit über das Ende seiner Präsidentschaft hinaus Russlands Führer zu bleiben. Das sollte niemanden überraschen. In seiner jährlichen Rede zur Lage der Nation letzte Woche legte er ein Programm zur Umgestaltung der politischen Institutionen Russlands vor, das bedeutende verfassungsrechtliche Veränderungen vorsieht. Das gesamte von Ministerpräsident Dmitry Medwedew geleitete Kabinett trat mit sofortiger Wirkung zurück.

Putins Vorschläge waren vage und teilweise widersprüchlich. Doch bieten sie wertvolle Hinweise auf seine Pläne für die Zeit nach 2024, wenn seine zweite – und damit rechtlich letzte – aufeinanderfolgende Amtszeit endet. Zunächst einmal möchte Putin Befugnisse vom Präsidenten auf die Staatsduma (das Parlament) verlagern sowie beträchtliche, bisher nicht kenntlich gemachte Befugnisse an einen jeweils von Putin geleiteten (in der Verfassung nicht erwähnten) Staatsrat und (in der Verfassung erwähnten, aber nicht beschriebenen) Sicherheitsrat übertragen.

Andere Veränderungsvorschläge beinhalten die Unterdrückung verfassungsrechtlicher Kontrollmechanismen, die praktische Beseitigung der Unabhängigkeit der Justiz, Autonomieverluste für die Kommunen und den Vorrang der russischen Gesetze vor internationalen Verpflichtungen. Die russische Verfassung besagt ganz klar, dass nur eine verfassungsgebende Versammlung diese grundlegenden Prinzipien des politischen Systems Russlands ändern darf. Putin hat erklärt, dass er keine derartige Versammlung einberufen würde. In diesem Sinne hat er in seiner Rede einen offenen, durchsichtigen Plan für einen Staatsstreich oder, genauer, einen Putsch von oben oder „Autogolpe“ (in der Terminologie der Politologen) einst ein bevorzugtes Instrument der lateinamerikanischen Caudillos – vorgelegt.

https://prosyn.org/cXCsYYKde