Putin AFP / Stringer

Putins vorgetäuschte Reformen

MOSKAU – Als der russische Performance-Künstler Pjotr Pawlenski letzten November den Haupteingang der Moskauer Lubjanka in Brand setzte –  des Hauptquartiers des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB und des ehemaligen sowjetischen Geheimdienstes KGB -beschuldigte ihn der Staat, das „kulturelle Erbe“  Russlands zu zerstören. Offenbar zählen brutale Verhöre weltberühmter Künstler, von Dichter Ossip Mandelstam bis hin zu Theaterdirektor Wsewolod Meyerhold, zu einem kulturellen Vermächtnis, das unter stärkstem staatlichen Schutz zu stehen hat.

In Wirklichkeit ist es natürlich so, dass die Lubjanka Instrument der Zerstörung des russischen Kulturerbes war. Doch unter Präsident Wladimir Putin – selbst ein KGB-Ehemaliger – zeigt die russische Regierung kein Interesse an der Wirklichkeit. Man bevorzugt Orwellschen Doppelsprech in noch perverserer Ausprägung als zu Sowjetzeiten – ein Beleg für die Propagandafähigkeit des Regimes – und produziert damit erschreckenden Doppeldenk in den Köpfen russischer Bürger.

Unter Joseph Stalin wurden echte Errungenschaften – wie etwa die Industrialisierung und der Sieg im Zweiten Weltkrieg – in der ideologischen Schlacht gegen den Kapitalismus aufgebauscht, während Mandelstam, Meyerhold und Millionen andere durch die Hände der Geheimpolizei umkamen. Der zwar populäre, aber schale Sieg, den man mit der Annexion der Krim erreichte, verblasst im Vergleich mit den Großtaten seiner Vorgänger, weswegen Putin gezwungen ist, von bloßer Ablenkung zu eklatanter Tatsachenverdrehung überzugehen und zu behaupten, der Westen behindere Russlands Erfolg absichtlich.

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