otorbaev12_ Davit KachkachishviliAnadolu Agency via Getty Images_russians entering georgia Davit Kachkachishvili/Anadolu Agency via Getty Images

Zentralasiens Bieterkrieg um russische Emigranten

BISCHKEK – Den Einwohnern von Bischkek bot sich in den vergangenen Wochen ein ungewöhnlicher Anblick: In den Straßen der kirgisischen Hauptstadt wimmelt es von Zehntausenden gebildeter Männer mit europäischen Gesichtszügen: Russische Staatsbürger, die vor Präsident Wladimir Putins „Teilmobilisierung“ von 300.000 Reservisten für seinen Krieg gegen die Ukraine fliehen. Das kirgisische Volk und die Regierung haben sie mit offenen Armen empfangen.

Viele andere eurasische Städte wie Tiflis (Georgien), Baku (Aserbaidschan), Eriwan (Armenien) und Almaty (Kasachstan) verzeichnen ebenfalls einen Zustrom russischer Wehrdienstverweigerer. Russische Bürgerinnen und Bürger siedeln zwar seit dem Einmarsch in die Ukraine im Februar nach Osteuropa und Westasien um, doch die erste groß angelegte Mobilisierungsmaßnahme des Kremls seit dem Zweiten Weltkrieg hat aus einem steten Rinnsal einen Strom werden lassen. Der Grund dafür ist einfach: Keine dieser ehemaligen Sowjetrepubliken – in Russland werden sie oft als „nahes Ausland“ bezeichnet – verlangt ein Einreisevisum für russische Bürger. Diese Länder, die von Russen lange Zeit als Reservoirs für billige Arbeitskräfte abgetan wurden, sehen nun in der Abwanderung von Fachkräften aus Russland eine Chance, die qualifizierten Arbeitskräfte zu gewinnen, die sie dringend benötigen.

Unmittelbar nachdem Putin die Mobilisierung angekündigt hatte, bildeten sich Warteschlangen an den Kontrollpunkten entlang aller Grenzen Russlands zu den ehemaligen Sowjetrepubliken. Am Grenzübergang „Oberer Lars“ an der russisch-georgischen Grenze reihten sich so viele Autos aneinander, dass man bis zu vier Tage auf den Übertritt warten musste.

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