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Unsere G-Null-Welt

NEW YORK: Wir leben in einer Welt, in der die globale wirtschaftliche und politische Steuerung – theoretisch – in den Händen der G20 liegt. In der Praxis jedoch gibt es keine globale Führung, und es herrscht schwere Verwirrung und Uneinigkeit unter den G20-Mitgliedern über Geld- und Fiskalpolitik, Wechselkurse und globale Ungleichgewichte, Klimawandel, Handel, Finanzstabilität, das internationale Währungssystem, die Sicherheit der Energie- und Lebensmittelversorgung und die globale Sicherheit. Die Großmächte betrachten diese Fragen inzwischen als Nullsummenspiele statt als Plus-Summen-Spiele. Und damit ist unsere Welt im Wesentlichen eine G-Null-Welt.

Im 19. Jahrhundert war der stabile Hegemon das Vereinigte Königreich. Das Britische Empire erzwang eine Reihe globaler öffentlicher Güter: freien Handel, freie Kapitalbewegungen, den Goldstandard und, mit dem britischen Pfund, eine große globale Reservewährung. Im 20. Jahrhundert übernahmen die Vereinigten Staaten diese Rolle. Sie setzen ihre Pax Americana durch und gewährleisteten so die Sicherheit in den größten Teilen Westeuropas, Asiens, des Nahen Ostens und Lateinamerikas. Und die USA dominierten die Bretton-Woods-Institutionen – den Internationalen Währungsfonds, die Weltbank und später dann die Welthandelsorganisation – und bestimmten so die globale Handels- und Finanzordnung, mit dem Dollar als wichtigster Reservewährung.

Heute jedoch befindet sich das „US-Imperium“ im relativen Niedergang und ist fiskalisch überfordert. China, die neue aufstrebende Macht, ist keine liberale Demokratie; es verfolgt ein Modell des Staatskapitalismus und ist zudem, statt sich an der Bereitstellung globaler öffentlicher Güter zu beteiligen, innerhalb des aktuellen globalen Systems ein Trittbrettfahrer (Stichworte: Handel, Wechselkurse, Klimawandel). Und während allgemeine Unzufriedenheit in Bezug auf den US-Dollar herrscht, ist der chinesische Renminbi noch weit davon entfernt, eine wichtige oder gar die führende globale Reservewährung zu werden.

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