Alte Linke gegen neue Linke in Lateinamerika

Es gibt zwei mögliche Interpretationen für die jüngsten Wahlergebnisse Lateinamerikas. Die erste und offensichtlichste lautet, dass der angeblichen Linkswende die Luft ausgeht, und zwar schnell. In den vergangenen Wochen erlitt der supernationalistische Ollanta Humala, ein „Klon“ des venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez, in Peru eine Niederlage, der konservative Alvaro Uribe erzielte in Kolumbien mit 62 % der Stimmen einen Erdrutschsieg und Andrés Manuel López Obrador fiel im Hinblick auf die Präsidentschaftswahlen in Mexiko am 2. Juli zurück. Jede dieser isolierten Entwicklungen widerspricht anscheinend dem Linkstrend in Lateinamerika.

Doch kann man diese Ereignisse auch aus einer anderen Perspektive betrachten. Präsident Uribe hat zwar seine Wiederwahl gewonnen, aber die große Überraschung in Kolumbien waren das Ende des Zweiparteiensystems, das das Land jahrzehntelang dominiert hatte, und das Hervortreten des linksgerichteten Polo Democrático als zweitgrößte politische Kraft im Land.

Ähnlich sieht es in Peru aus: Alan García hat zwar die Wahl gewonnen, er kommt jedoch nicht aus einer weit links stehenden Partei, die endlich den Durchbruch geschafft hätte (wie Lula da Silva in Brasilien, Michelle Bachelet in Chile und Tabaré Vázquez in Uruguay). Seine APRA-Partei, die in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts von Victor Raúl Haya de la Torre gegründet wurde, ist eine der ältesten und anachronistischsten populistischen Organisationen der Region.

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