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Ist ein Brexit ohne Abkommen wahrscheinlicher geworden?

LONDON – Nachdem die britische Premierministerin Theresa May ihren Rücktritt angekündigt hatte, erklärten einige ihrer Nachfolgekandidaten, sie wollten einen „Brexit ohne Abkommen“. Darauf reagierten europäische Führungskräfte mit Vorbereitungen auf einen völligen Bruch mit dem Vereinigten Königreich. Finanzanalysten korrigierten dementsprechend ihre Prognosen, und das britische Pfund brach zusammen.

Die Ängste vor einem Brexit ohne Abkommen sind verständlich. Ein solches Ereignis würde die 18-monatige Übergangsperiode außer Kraft setzen, die beide Seiten für wichtig halten, um das Verhältnis zwischen Großbritannien und der Europäischen Union auf ordentliche Weise zu gestalten. Es würde den sofortigen Abbruch des Handels der Briten mit ihrem größten Handelspartner bedeuten, und auch die EU würde ihren zweitgrößten Handelspartner (nach den Vereinigten Staaten) verlieren. Und wie die Welt nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers im Jahr 2008 erfahren musste, kann ein plötzlicher Abbruch der Handels- und Finanzströme, auch wenn sie nur ein paar Wochen andauern, jahrelange Probleme verursachen.

Um diese Gefahren zu betonen, erarbeitete der Vorstand des britischen Civil Service ein 14-seitiges Dossier für das Kabinett (das prompt geleaked wurde). Dort werden nicht nur die möglichen wirtschaftlichen und finanziellen Schäden, sondern auch die Risiken für die nationale Sicherheit und Gesundheitsversorgung beschrieben. Wichtiger ist noch, dass der Kabinettsekretär darauf bestand, dieses Dossier in das Kabinettprotokoll mit aufzunehmen, um zu zeigen, dass die Minister selbst die volle Verantwortung für diese Risiken übernehmen müssen – und nicht ihre zivilen oder militärischen Berater.

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