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Hat die NATO ein Rüstungskontrollgehirn?

LONDON – Unter Donald Trump konnte die NATO schon froh sein, einfach nur zu überleben. Tatsächlich hat der französische Präsident Emmanuel Macron 2019 gewarnt, das Bündnis werde bald „hirntot“ sein. Beim ersten persönlichen Treffen der amerikanischen Verbündeten mit US-Präsident Joe Biden in dieser Woche herrschte deshalb allgemeine Erleichterung. Aber die NATO muss immer noch zeigen, dass sie ihre Probleme nicht nur mit ihren Muskeln lösen kann, sondern auch mit ihrem Gehirn. Und es wäre intelligent, dabei mit der Rüstungskontrolle anzufangen.

Bei diesem Thema kann die NATO auf stolze Errungenschaften zurückblicken: Bereits 1957, bei der Abrüstungskonferenz der Vereinten Nationen in London, hat sie ihr erstes Programm für nukleare Abrüstung vorgestellt. Sogar in der schlimmsten Zeit des Kalten Krieges hat sie versucht, sich mit dem Warschauer Pakt auf ausgewogene Rüstungskontrollmaßnahmen zu einigen. Und 1987 hat sie US-Präsident Ronald Reagan dabei unterstützt, das US-sowjetische Verbot nuklearer Mittelstreckenraketen auszuhandeln. So wiederum konnten die Bündnispartner die Anzahl der zur Verteidigung der NATO eingesetzten Nuklearwaffen verringern. Seit dem Ende des Kalten Krieges wurden diese Bestände zu über 85% abgebaut.

In letzter Zeit hingegen scheint die NATO das Thema der Rüstungskontrolle zu vernachlässigen. Ihr Generalsekretär Jens Stoltenberg kann nur so weit gehen, wie ihn die dreißig NATO-Verbündeten lassen. Er betont, Rüstungskontrolle liege bei der NATO „in der DNA“. Aber zuletzt hat das Bündnis das Thema so behandelt, als sei es kein Leitprinzip, sondern eher eine Fußnote. Stoltenbergs Rede zur Rüstungskontrolle bei der NATO-Konferenz vom Oktober 2019 deutet darauf hin, was falsch gelaufen ist:

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