Meine Worte an die frisch gebackenen Finanzfachleute

NEW HAVEN – In dieser Zeit des Jahres finden die feierlichen Entlassungen von Hochschulabsolventen in Amerika und anderswo statt, und meist werden den frisch Graduierten vor dem Überreichen der Abschlusszeugnisse noch einige abschließende Ratschläge mit auf den Weg gegeben. Die folgenden Worte richten sich an diejenigen, die eine Karriere in der Finanzwirtschaft anstreben – oder in verwandten Bereichen wie im Versicherungs- oder Rechnungswesen, in der Wirtschaftsprüfung, im Rechtswesen oder in der Unternehmensführung:

Ich möchte Ihnen auf Ihrem Weg in die Finanzwirtschaft, für den Sie sich mit Ihrem erfolgreichen Universitätsabschluss entschieden haben, alles Gute wünschen. Die Wall Street und ihre verwandten Institutionen werden Sie im Verlauf Ihrer weiteren Karriere brauchen. Ihre Ausbildung in Finanztheorie, Wirtschaftswissenschaften, Mathematik und Statistik wird Ihnen gute Dienste leisten. Die Kurse, die Sie in Geschichte, Philosophie und Literatur belegt haben, werden sich jedoch als nicht minder wichtig erweisen, denn es kommt nicht allein auf die richtigen Werkzeuge an, sondern auch darauf, niemals aus den Augen zu verlieren, welche übergeordneten Aufgaben und gesellschaftlichen Ziele die Finanzwirtschaft hat.

Sofern Sie Ihre Studien nicht in den Tiefen des Ozeans betrieben haben, werden Ihnen die schweren Vorwürfe nicht entgangen sein, die gegen den Finanzsektor erhoben werden – von denen viele berechtigt sind –, weil er die Weltwirtschaft in die schlimmste Krise seit der Weltwirtschaftskrise gestürzt hat. Und wenn Sie mit Kommilitonen sprechen, die sich an den Aktionen der Occupy-Bewegung auf aller Welt beteiligt haben, spüren Sie die weitverbreiteten Ressentiments, die Finanzleuten und dem 1% der Spitzenverdiener entgegenschlagen, dem diese hauptsächlich zu Diensten sind (und zu dem sie oft selbst gehören).

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