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Wie die eigene Ignoranz zu schlechter Politik führt

HONG KONG – Wir leben in einem Zeitalter des systemischen Stillstands, des politischen Chaos und des plötzlichen Scheiterns. Wie ist es möglich, dass die afghanischen Sicherheitskräfte – die vom US-Militär über zwei Jahrzehnte hinweg für 83 Milliarden Dollar aufgebaut und ausgebildet wurden – innerhalb von nur 11 Tagen einer Miliz von Kämpfern in Pickups unterlegen waren? Wie konnten Amerikas beste und klügste Geheimdienstexperten und militärische Führer nicht vorhersehen, dass der rasche Abzug der US-Luftunterstützung und der Aufklärung eine Katastrophe für Afghanistan bedeuten würde, und ihren Rückzug entsprechend planen? Sind dies nicht Beispiele für ein Systemversagen?

Bei fast jeder Krise gibt es mehrere Ursachen und Auslöser. Das gilt für die Situation in Afghanistan ebenso wie für die COVID-19-Pandemie – eine weitere multidimensionale Krise, für die es kein Patentrezept gibt. Selbst sorgfältig konzipierte politische Maßnahmen, die von den besten Absichten motiviert sind, können aufgrund von Umsetzungsfehlern die beabsichtigte Wirkung verfehlen und die Probleme oft auf unerwartete Weise verschärfen.

Das Problem lässt sich auf ein Ungleichgewicht der Komplexität zurückführen. Die verschiedenen Krisen und Herausforderungen, mit denen wir konfrontiert sind – wie Terrorismus, Pandemien und Desinformation – haben virale, verschlungene Eigenschaften, und komplexe globale Netzwerke lassen lokal entstandene Probleme viel schneller wachsen und sich ausbreiten als Lösungen. Das Paradigma, auf das wir unsere Politikgestaltung stützen, ist jedoch linear, mechanisch und „rational“.

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