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Wer steht hier für Freiheit?

NEW YORK: Die republikanische Partei schmückt sich seit langem mit der amerikanischen Fahne und erklärt sich zum Verteidiger der „Freiheit“. Sie glaubt, Menschen sollten die Freiheit haben, Schusswaffen zu tragen, Hassreden zu führen und sich Impfstoffen und Gesichtsmasken zu verweigern. Gleiches gilt für Konzerne: Selbst wenn ihre Tätigkeit den Planeten zerstört und das Klima dauerhaft verändert, sollte man darauf vertrauen, dass der „freie Markt“ es schon richten wird. Banken und andere Finanzinstitute sollten von Regulierung „befreit“ werden, selbst wenn ihre Aktivitäten die gesamte Volkswirtschaft zum Einsturz bringen können.

Im Gefolge der Finanzkrise von 2008, der Pandemie und der Beschleunigung der Klimakrise sollte offensichtlich sein, dass diese Vorstellung von Freiheit für die moderne Welt deutlich zu grob und simpel gestrickt ist. Wer sie heute noch vertritt, ist entweder verstörend verbohrt oder korrupt. Isaiah Berlin, einer der großen Philosophen des 20. Jahrhunderts, hat einmal gesagt: „Freiheit für die Wölfe bedeutet häufig Tod für die Schafe.“ Oder anders ausgedrückt: Die Freiheit einiger ist die Unfreiheit anderer.

In den USA geht die Freiheit, Schusswaffen zu tragen, auf Kosten der Freiheit, in die Schule oder einkaufen zu gehen, ohne dabei erschossen zu werden. Tausende Unschuldiger – viele davon Kinder – haben auf dem Altar dieser Freiheit ihr Leben gelassen. Und Millionen haben verloren, was Franklin Delano Roosevelt für so wichtig erachtete: die Freiheit von Furcht.

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