CAMBRIDGE – Warum haben die demokratischen politischen Systeme nicht schnell genug auf die von autokratischen Populisten erfolgreich ausgenutzten Beschwerden ihrer Bevölkerungen reagiert – Ungleichheit und wirtschaftliche Sorgen, die Minderung des selbst empfundenen gesellschaftlichen Status, die tiefe Kluft zwischen Eliten und Normalbürgern? Hätten die politischen Parteien, insbesondere die gemäßigte Linke, eine mutigere Agenda verfolgt, wäre der Aufstieg rechtsgerichteter, nativistischer politischer Bewegungen vielleicht zu verhindern gewesen.
Im Prinzip produziert größere Ungleichheit eine Forderung nach mehr Umverteilung. Die demokratischen Politiker sollten darauf reagieren, indem sie die Reichen höher besteuern und die Erlöse für diejenigen ausgeben, denen es weniger gut geht. Diese unmittelbare Einsicht wird in einem bekannten Aufsatz zur politischen Ökonomie von Allan Meltzer und Scott Richard formalisiert: Je größer der Einkommensunterschied zwischen dem medianen und dem durchschnittlichen Wähler, desto höher die Steuern und desto größer die Umverteilung.
In der Praxis freilich haben sich die Demokratien in die gegenteilige Richtung bewegt. Die Einkommensteuerprogression hat abgenommen, der Einsatz regressiver Verbrauchsteuern hat zugenommen, und die Besteuerung des Kapitals unterliegt einem weltweiten Abwärtswettlauf. Statt Investitionen in die Infrastruktur anzukurbeln, haben die Regierungen eine Sparpolitik verfolgt, unter der besonders die gering qualifizierten Arbeitnehmer leiden. Großbanken und Konzerne wurden mit Steuergeldern gerettet, aber die privaten Haushalte nicht. In den USA wurde der Mindestlohn nicht ausreichend angepasst und ist also real erodiert.
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Im Prinzip produziert größere Ungleichheit eine Forderung nach mehr Umverteilung. Die demokratischen Politiker sollten darauf reagieren, indem sie die Reichen höher besteuern und die Erlöse für diejenigen ausgeben, denen es weniger gut geht. Diese unmittelbare Einsicht wird in einem bekannten Aufsatz zur politischen Ökonomie von Allan Meltzer und Scott Richard formalisiert: Je größer der Einkommensunterschied zwischen dem medianen und dem durchschnittlichen Wähler, desto höher die Steuern und desto größer die Umverteilung.
In der Praxis freilich haben sich die Demokratien in die gegenteilige Richtung bewegt. Die Einkommensteuerprogression hat abgenommen, der Einsatz regressiver Verbrauchsteuern hat zugenommen, und die Besteuerung des Kapitals unterliegt einem weltweiten Abwärtswettlauf. Statt Investitionen in die Infrastruktur anzukurbeln, haben die Regierungen eine Sparpolitik verfolgt, unter der besonders die gering qualifizierten Arbeitnehmer leiden. Großbanken und Konzerne wurden mit Steuergeldern gerettet, aber die privaten Haushalte nicht. In den USA wurde der Mindestlohn nicht ausreichend angepasst und ist also real erodiert.
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