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Unter dem lateinamerikanischen Vulkan

CAMBRIDGE – Vielleicht nirgends sonst ist die derzeitige Abkoppelung zwischen ruhigen Märkten und bestehenden sozialen Spannungen derart akut wie in Lateinamerika. Die Frage ist, wie lange sich diese eklatante Dissonanz noch fortsetzen kann.

Im Moment scheinen sich die Wirtschaftsdaten der Region zu verbessern, und die Schuldenmärkte bleiben merkwürdig gelassen. Doch auf den Straßen macht sich brodelnde Wut breit, besonders (aber nicht nur) in Kolumbien. Und da der Prozentsatz neuer täglicher COVID-19-Fälle in Lateinamerika schon jetzt vier Mal höher ist als im Mittel der Schwellenmärkte, obwohl die dritte Welle der Pandemie derzeit erst einsetzt, droht den 650 Millionen Menschen der Region eine zunehmende humanitäre Katastrophe.

Mit steigender politischer Unsicherheit sind die Anlageinvestitionen in der schon jetzt unter niedrigem Produktivitätswachstum leidenden Region ins Stocken geraten. Noch schlimmer ist, dass eine ganze Generation von Lateinamerikas Kindern fast anderthalb Schuljahre verloren hat, was die Hoffnungen, im Bereich der Bildung zu Asien oder gar den USA aufzuschießen, weiter untergräbt.

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