Die Aberkennung eines exorbitanten amerikanischen Privilegs

NEW YORK – Aus dem anhaltenden politischen Stillstand in den USA ergeben sich zwei bedeutende Auswirkungen für das internationale Währungssystem. Die besser bekannte Folge ist die sich vertiefende Ungewissheit hinsichtlich des US-Dollars, der wichtigsten Weltreservewährung, sowie im Hinblick auf US-Staatsanleihen, der vermeintlich „sichersten“ Finanzanlage der Welt. Keine Überraschung also, dass China und Japan als wichtigste Anleger in US-Staatsanleihen ihre Besorgnis bekundeten. Einfach ausgedrückt ist festzustellen: im Zentrum der Weltwirtschaft befindet sich ein dysfunktionales politisches Regime, das für wiederkehrende Bedrohungen eines Zahlungsausfalls der weltweit wichtigsten Reservewährung sorgt.

Die zweite Konsequenz ist der weitere Aufschub der 2010 beschlossenen Quoten- und Governance-Reform des Internationalen Währungsfonds, aufgrund derer die Beiträge der Mitglieder verdoppelt und die Stimmrechte der wichtigsten Schwellenökonomien in bescheidenem Rahmen verbessert werden sollen. Vor der Zustimmung des IWF-Gouverneursrates im Dezember 2010 war die auf dem  G-20-Gipfel in Seoul beschlossene Reform als „historischer“ Durchbruch gefeiert worden.  Doch ohne Zustimmung der USA, die über ein geltendes Vetorecht bei wichtigen Entscheidungen des IWF verfügen, ist es mit der historischen Bedeutsamkeit nicht weit her.

Ebenso wie 2011 könnte die Bedrohung durch einen Zahlungsausfall der USA mit einer politischen Entscheidung zur Anhebung der staatlichen Schuldenobergrenze enden. Doch unabhängig vom Ergebnis bringt diese jüngste Episode überdeutlich zutage, dass unsere globalisierte Welt ein besseres internationales Währungssystem verdient als dieses gegenwärtige „Nicht-System“, das sich nach dem Zusammenbruch der ursprünglichen Bretton-Woods-Vereinbarungen in den frühen 1970er Jahren ad hoc entwickelte.

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