Die Schwellenländer werden allein gelassen

NEW YORK – Es gab bemerkenswerte Ähnlichkeiten zwischen der Erklärung, die der Präsident der Europäischen Zentralbank Mario Draghi nach der jüngsten Sitzung des EZB-Rates abgegeben hat und der ersten Anhörung im Kongress der Chefin der US-Notenbank Fed, Janet Yellen: Beide versicherten, dass sich ihre geldpolitischen Entscheidungen lediglich an der Entwicklung im Inland orientieren würden. Mit anderen Worten sind Schwellenländer, obwohl sie erheblichen Ausstrahlungseffekten der Geldpolitik von Industrieländern unterworfen sind, auf sich allein gestellt.

Das bestätigt, was Behörden in Schwellenländern seit geraumer Zeit wussten. Im Jahr 2010 – nachdem die US-Notenbank eine dritte Runde der Quantitativen Lockerung angekündigt hatte – warf der brasilianische Finanzminister Guido Mantega Industrieländern vor, einen globalen „Währungskrieg“ zu führen. Schließlich ließ die Geldpolitik der Industrieländer erhebliche und volatile Kapitalströme in die großen Schwellenmärkte fließen, trieb die dortigen Wechselkurse in die Höhe und beeinträchtigte die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Exporte – ein Phänomen, das die brasilianische Präsidentin Dilma Rousseff später als „Tsunami billigen Geldes“ bezeichnet hat.

Erst unlängst hatte das Zurückfahren geldpolitischer Impulse in entwickelten Volkswirtschaften ähnlich starke Auswirkungen. Seit dem vergangenen Mai, als die Fed ihre Pläne ankündigte, mit der Drosselung ihres Ankaufvolumens langfristiger Anleihen zu beginnen, ist Kapital für Schwellenländer weniger zugänglich und teurer geworden – eine Verlagerung, die besonders für Länder schmerzhaft ist, die wegen hoher Leistungsbilanzdefizite auf ausländische Mittel angewiesen sind. Raghuram Rajan, Gouverneur der indischen Zentralbank, bezeichnete die Politik der Industrieländer daraufhin als „egoistisch“ und erklärte, dass die „internationale Zusammenarbeit in der Geldpolitik zusammengebrochen ist“.

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