Inseln des Nationalismus

PEKING – Angesichts der kürzlichen Spannungen zwischen China und Japan über einige umstrittene Inseln im ostchinesischen Meer ist zu erwarten, dass die Beziehungen zwischen der zweit- und der drittgrößten Volkswirtschaft der Welt in naher Zukunft trotz immer mehr bilateralem Handel und Investitionen nicht einfach sein werden. Der kürzliche Versuch beider Länder, ihre Kontrolle über die Inseln – mit dem Namen Senkaku auf japanisch und Diaoyu auf chinesisch – zu behalten, lässt auf Unsicherheit und die Wahrnehmung der jeweils anderen Seite als Aggressor schließen. Daher ist es unwahrscheinlich, dass das Problem kurzfristig beigelegt werden kann.

Auf der japanischen Seite wächst die Besorgnis über Chinas zunehmenden wirtschaftlichen und militärischen Aufstieg, woraufhin einige Nationalisten die Sache so schnell wie möglich zugunsten Japans entscheiden möchten. In diesem Zusammenhang kann der kürzliche Aufruf von Shintaro Ishihara, dem Gouverneur von Tokio, verstanden werden, die Inseln von “privaten” japanischen Eigentümern zu “kaufen”.

Auf der chinesischen Seite haben die maritimen Streitigkeiten mit Japan – und mit Brunei, Malaysia, Vietnam und den Philippinen im südchinesischen Meer – eine nationale Debatte darüber ausgelöst, ob Chinas Außenpolitik sich nicht stark genug für die Interessen des Landes einsetzt. Amerikas “Vorstoß” in Asien wird von vielen Chinesen als Versuch gesehen, durch die Unterstützung anderer Staaten gegen China den Aufstieg des Landes zu bremsen, und hat unter chinesischen Nationalisten zu einer Art Belagerungsmentalität geführt. Ihre Reaktion darauf besteht darin, zu entschiedenem militärischen Einsatz im südchinesischen Meer aufzurufen und auf den Diaoyu/Senkaku-Inseln symbolische Landungen zu inszenieren, ähnlich wie diejenigen von Aktivisten aus Hongkong am 15. August.

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