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In der Inflation schmilzt alle Solidität dahin

PRINCETON: Die reichen westlichen Industrieländer scheinen in einer Zeitschleife gefangen; die unerwartet gestiegene Inflation weckt nicht nur Erinnerungen an die 1970er Jahre, sondern bringt auch die politischen Debatten und politischen Unsicherheiten jener Zeit zurück. Ist die Inflation immer und überall ein geldpolitisches Phänomen, wie Milton Friedman insistierte? Oder ist sie eine Folge fiskalischer Überdehnung – oder schlicht ein Symptom eines allgemeineren Demokratieversagens?

Es ging bei den Debatten der 1970er nicht nur um technische Fragen der makroökonomischen Steuerung. Sie warfen zudem Zweifel über die Nachhaltigkeit und Legitimität des westlichen Demokratiemodells auf. Die Welt war von geopolitischer Instabilität heimgesucht, und die Generalversammlung der Vereinten Nationen unterstützte Rufe nach einer neuen internationalen Wirtschaftsordnung. Und nun, da sich viele der gleichen alten politischen und geopolitischen Fragen wieder aufheizen, ist die Inflation ein Thermometer. Mehr Geld jagt weniger Waren nach, und damit steigen die Preise – die Wirtschaft gerät in einen Fieberzustand.

Jedoch wird es in Phasen der Finanzinnovation zunehmend schwierig, zu entscheiden, was Geld überhaupt ist. Niemand würde bestreiten, dass die Finanzinnovation während des vergangenen Jahrzehnts mit rasender Geschwindigkeit vorangeschritten ist. Doch lohnt es, sich zu erinnern, dass es auch in den 1970er Jahren eine Finanzrevolution gab, die die bis dahin klaren Grenzen zwischen Geld und Nichtgeld verschwimmen ließ. Zum Teil lag das an der Inflation, die die Bankkunden veranlasste, sich aus zinslosen Sparbüchern in Alternativen wie Einlagenzertifikate oder Konten bei nichttraditionellen Banken zu flüchten.

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