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Aufstieg einer Schachgroßmacht

PROVIDENCE – In den letzten zehn Jahren ist Indiens politischer und wirtschaftlicher Fortschritt ins Stocken geraten. Seine einst plausiblen Aspirationen, eine China ebenbürtige Weltmacht zu werden, scheinen inzwischen wirklichkeitsfremd. Die COVID-19-Pandemie hat dem Land einen verheerenden menschlichen und wirtschaftlichen Tribut abgefordert. Unter derartigen Umständen kann der Sport Balsam für die nationale Psyche sein.

Die diesjährigen Olympischen Spiele in Tokio brachten eine leichte Entlastung. Indien gewann seine erste Goldmedaille in der Leichtathletik, konnte im Feldhockey der Männer teilweise an vergangene Glanzzeiten anknüpfen, und das Auftreten seiner Hockeydamen war herzzerreißend mutig und entschlossen, auch wenn es hier nicht zu einer Medaille reichte. Letztlich jedoch verstärkte ein 48. Platz in der Medaillenrangliste – für ein Land mit 1,4 Milliarden Menschen – lediglich das Gefühl der Unterdurchschnittlichkeit.

Ein Lichtblick könnte vor diesem Hintergrund der Denksport sein. Indien entwickelt sich mit Riesenschritten zu einer legitimen Weltmacht im Schach; bei zentralen Messwerten liegt es vor den USA und China und auf gleicher Höhe mit Russland, der historisch dominanten Macht in diesem Sport. Seit 2012 wurden 44 Inder zu Großmeistern – der höchsten Leistungsstufe im Schach – gekürt, gegenüber 18 in China und 22 in den USA. Selbst Russland hatte nur einen einzigen neuen Großmeister mehr als Indien.

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