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Sind Europas wirtschaftliche Aussichten besser als vermutet?

LONDON – In dem Jahr, in dem Präsident Donald Trump den amerikanischen Handelskrieg mit China auf die Spitze trieb, waren die Politiker und die Finanzmärkte von den Gefahren für die Wirtschaft in beiden Ländern geradezu besessen. Aber die wirkliche Bedrohung der Weltwirtschaft durch diesen Konflikt liegt anderswo.

Trotz der reißerischen Schlagzeilen, der Handelskrieg werde in den Vereinigten Staaten eine Rezession auslösen oder in China und seinen asiatischen Nachbarn zu einer Art Zusammenbruch führen, zeigen die jüngsten Wirtschaftsdaten ein ganz anderes Bild: Die Volkswirtschaften in den USA und China haben sich entsprechend der Trends, die bereits vor der Eskalation des Handelskrieges vorherrschten, recht ordentlich entwickelt. Das größte Opfer war jedoch ein unbeteiligter Zuschauer: Europa.

Diese unerwartete Verteilung der Schäden spiegelt sich in den quartalsweisen Revisionen der Wirtschaftsprognosen des Internationalen Währungsfonds klar wider: Die jüngste von ihnen vom Ende Juli prognostiziert für 2019 3,2% weltweites Wachstum, also etwas weniger als die 3,7% der Projektion vom Oktober 2018. Aber diese Abwärtskorrektur liegt weder an den USA noch an China. Die chinesische Wirtschaft soll, genau wie vor einem Jahr erwartet, um 6,2% wachsen. Die Vorhersage für die USA liegt bei 2,6%, also 0,1 Prozentpunkte über der vom Vorjahr. Und die Projektionen für Japan und andere asiatische Volkswirtschaften bleiben mehr oder weniger unverändert. Dies bedeutet, dass fast die gesamte weitweite Abschwächung auf das Konto Europas geht.

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