a5588a0246f86f900c405f01_dr3002c.jpg Dean Rohrer

Identitätsökonomie

BERKELEY und DURHAM: Eine große Stärke der Wirtschaftswissenschaft ist ihre Fähigkeit, zu untersuchen, wie Entscheidungen aus der Warte der Entscheidungsträger getroffen werden. So kann die Ökonomie auf diese Weise etwa erklären, warum die Verkäufer das kaufen, was sie kaufen. Sie bietet außerdem einen Einblick, warum Arbeitnehmer für bestimmte Arbeitgeber arbeiten und nicht für andere, warum sie so hart arbeiten und sogar, warum sie überhaupt zu Arbeit gehen.

Doch die meisten wirtschaftlichen Analysen betrachten die Perspektive der Entscheidungsträger in relativ eng begrenzter Weise. Ihr Ausgangspunkt ist, was Menschen mögen und was nicht – etwa, dass sie Geschmack an Orangen oder Bananen haben oder dass sie vorziehen, ihr Leben heute zu genießen, statt für die Zukunft zu sparen. Auf dieser Basis, so die Überlegung, entscheiden sie dann, was sie angesichts der herrschenden Preise, Zinssätze und ihres eigenen Einkommens kaufen oder wie viel sie sparen. Zwar beziehen die Ökonomen in diese Analysen ein, dass die Menschen miteinander interagieren, doch sie behandeln diese gesellschaftlichen Interaktionen bisher überwiegend auf eine mechanische Weise, als wären sie Waren.

So wird bei der herkömmlichen ökonomischen Analyse von Diskriminierung am Arbeitsplatz etwa davon ausgegangen, dass Männer bei der Arbeit nicht gern mit Frauen Umgang pflegen –in derselben Weise, in der sie ggf. Äpfel gegenüber Orangen bevorzugen. Genauso besagt sie, dass Weiße keinen Umgang mit Farbigen pflegen möchten und daher einen Ab- bzw. Aufschlag verlangen, wenn sie von Farbigen kaufen oder mit ihnen zusammenarbeiten.

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