bruszt6_LUDOVIC MARINAFP via Getty Images_viktororbanmedianews Ludovic Marin/AFP via Getty Images

Ungarns Corona-Diktator

BUDAPEST – Mit dem von Kritikern zu Recht als „Ermächtigungsgesetz“ bezeichneten Notstandsgesetz, das am 30. März vom ungarischen Parlament verabschiedet wurde, kann Ministerpräsident Viktor Orbán zeitlich unbefristet per Dekret regieren, angeblich um der Regierung bei der Bekämpfung der Covid-19-Pandemie zu helfen. Tatsächlich gefährdet das neue Gesetz das Leben vieler Ungarn, denn es ermächtigt die Regierung, Informationen über den Umgang mit dem Virus drastisch einzuschränken. Die tödlichen Folgen eines solchen Vorgehens sind hinlänglich aus Wuhan, China, bekannt, wo die Behörden Informationen über den Ausbruch eines neuartigen Coronavirus anfangs unterdrückten.

Orbáns Ermächtigungsgesetz hebelt die wenigen verbliebenen Kanäle demokratischer Rechenschaftspflicht in Ungarn aus. Es wird zu einer extremen Zentralisierung der Kontrolle über den Informationsfluss über die Pandemie und ihre Bekämpfung kommen. Und Orbán, der seit 2010 an der Macht ist, muss angesichts der völlig unzureichenden Investitionen seiner Regierung in das Gesundheitssystem des Landes in den vergangenen zehn Jahren dringend das Narrativ der Pandemie kontrollieren.

Das neue Gesetz gibt ihm diese Macht. So kann etwa die Verbreitung „falscher“ Informationen über das Virus mit bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft werden – eine reale Befürchtung, die Ärzten und Journalisten gleichermaßen im Nacken sitzt. Die in der entsprechenden Klausel enthaltene Rechtfertigung ist zusammen mit der Strafe kaum von einer ähnlichen Maßnahme in Saudi-Arabien zu unterscheiden. Faktisch minimiert das Ermächtigungsgesetz den verbleibenden Spielraum für Ungarns unabhängige Medien.

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