mueller33_MICHAEL KAPPELERPOOLAFP via Getty Images_scholzlaschetgermanelection Michael Kappeler/Pool/AFP via Getty Images

Das Gute und das Schlechte an den deutschen Wahlen

PRINCETON – Zunächst die schlechte Nachricht: Bei den deutschen Bundestagswahlen musste die rechtsextreme Alternative für Deutschland (AfD) zwar Verluste hinnehmen, erreichte aber immer noch über 10% der Stimmen. Trotz ständiger interner Querelen und vieler Skandale scheint die Partei dauerhaft in der politischen Landschaft Deutschlands verankert zu sein. Aber die gute Nachricht ist, dass viele vorherrschende Meinungen über die extreme Rechte durch die Wahl widerlegt wurden: Die westlichen Demokratien müssen nicht ständig Kulturkämpfe ausfechten; große Koalitionen der linken und rechten Mitte müssen nicht unbedingt die politischen Extreme stärken; und sozialdemokratische Parteien können gut funktionieren, ohne an nativistische oder islamophobe Gefühle zu appellieren.

Viele kluge Beobachter haben gesagt, die Politik in den Industrieländern sei heute durch die Auseinandersetzung zwischen kosmopolitischen Liberalen und stärker „verwurzelten“ Kommunitaristen (um einen möglichst neutralen Begriff zu verwenden) geprägt. Auch wenn sich einige Konflikte durchaus anhand einer mehr oder weniger simplizistischen Aufteilung zwischen „Weltbürgern“ und „Ortsbürgern“ interpretieren lassen, gibt es doch noch viele andere Probleme, die nicht auf diesen Gegensatz reduziert werden können. In Deutschland hat die Einwanderung in den letzten Jahren als großes Thema an Bedeutung verloren. Vor dieser Wahl haben die Bürger stattdessen die Renten, die Zukunft des Wohlfahrtsstaats und das Klima als Themen genannt, die sie am stärksten beschäftigen. Die wichtigsten Parteien vertreten dazu unterschiedliche Positionen, und der klassische Wahlkampf zwischen der rechten und der linken Mitte hat sich für die Rechtsextremen als schlechte Nachricht erwiesen.

Die Tatsache, dass die Bürger die Wahl zwischen zwei klaren politischen Alternativen hatten, bedeutet, dass die typische populistische Beschwerde, alle „Mainstream“-Parteien seien identisch, und angeblich korrupte Eliten verfolgten alle die gleiche Politik, um „dem Volk“ zu schaden, kaum glaubhaft wirkte. Auch die große Koalition zwischen der Sozialdemokratischen Partei (SPD) und der Christlich-Demokratischen Union (CDU) der scheidenden Kanzlerin Angela Merkel gab keinen Anlass zu der Annahme, solche Bündnisse würden extremistischen Parteien zugute kommen. Stattdessen ließen die Sozialdemokraten einen klaren Linksruck und einen Bruch mit der Ära Merkel erkennen.

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