69b24a0346f86fe80eee6703_jo4265c.jpg John Overmyer

Der deutsche Sonnenschein-Tagtraum

KOPENHAGEN – In Deutschland nähert sich eines der größten staatlich unterstützten Experimente im Bereich grüner Energie seinem bitteren Ende und politische Entscheidungsträger anderswo können daraus wichtige Lehren ziehen.

Einst rühmte sich Deutschland, „Photovoltaik-Weltmeister“ zu sein. Man verteilte generöse Subventionen – im Ausmaß von insgesamt über 100 Milliarden Euro laut Angaben der Ruhr-Universität – an die Bürger, um in die Solarenergie zu investieren. Nun allerdings verspricht die deutsche Regierung, die Förderungen früher als geplant zu kürzen und die Unterstützung über die nächsten fünf Jahre auslaufen zu lassen. Was ist da schief gelaufen?

Bei der Subventionierung ineffizienter grüner Technologie gibt es ein grundlegendes Problem: finanziell erschwinglich ist sie nur, wenn diese Förderung in geringen, eher symbolischen Summen erfolgt. Mit den großzügigen staatlichen Förderungen errichteten die Deutschen im vorigen Jahr 7,5 Gigawatt an photovoltaischer Kapazität. Das ist doppelt so viel wie die Regierung für „akzeptabel“ gehalten hatte. Man schätzt, dass alleine diese Kapazitätserhöhung zu einem Anstieg der jährlichen Stromrechnung für den deutschen Durchschnittsverbraucher um 200 Euro führen wird. 

Laut Angaben des Magazins Der Spiegel, halten sogar schon Mitarbeiter von Kanzlerin Angela Merkel die Maßnahmen für eine massive Kostenfalle. Der deutsche Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, Philipp Rösler, hat die schwindelerregenden Solarsubventionen als „Bedrohung für die Wirtschaft“ bezeichnet.

Deutschlands Begeisterung für Solarenergie ist verständlich. Man könnte den gesamten Energiebedarf der Welt ein ganzes Jahr lang decken, wenn es gelänge, nur eine Stunde der gesamten Energie der Sonne einzufangen. Sogar mit der Ineffizienz der gegenwärtigen Photovoltaik-Technologie könnten wir den Energiebedarf der ganzen Welt decken, wenn wir auf 250.000 Quadratkilometern, also 2,6 Prozent der Fläche der Sahara, Solaranlagen aufstellten.

Unglücklicherweise ist es in Deutschland – ebenso wie in den meisten Teilen der Welt – nicht so sonnig wie in der Sahara. Sonnenlicht gibt es zwar gratis, Solarzellen und deren Montage jedoch nicht. Solarenergie ist mindestens vier Mal so teuer wie Energie aus fossilen Brennstoffen. Obendrein hat sie den entscheidenden Nachteil, in der Nacht nicht zu funktionieren, wenn ein großer Teil der Elektrizität verbraucht wird.  .

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Die Deutsche Physikalische Gesellschaft stellt fest, dass „Solarenergie keine zusätzlichen Kraftwerke ersetzen kann.” An kurzen, wolkenverhangenen Wintertagen können Deutschlands 1,1 Millionen Sonnenenergiesysteme überhaupt keine Elektrizität liefern. Dann ist das Land gezwungen, erhebliche Mengen an Elektrizität aus Atomkraftwerken in Frankreich und Tschechien zu importieren. Als die Sonne diesen Winter nicht schien, musste die Versorgungslücke laut Notfallplan durch das Hochfahren eines ölbefeuerten österreichischen Kraftwerks geschlossen werden.

Tatsächlich liefert die Solarenergie trotz der massiven Investitionen nur etwa 0,3 Prozent der Gesamtenergie in Deutschland. Das ist einer der Hauptgründe, warum die Deutschen momentan den zweithöchsten Strompreis in den Industrieländern zahlen (übertroffen werden sie nur von Dänemark, das den Titel „Windenergie-Weltmeister“ anstrebt). Die deutschen zahlen drei Mal mehr für ihren Strom als Amerikaner.  

Außerdem tragen diese erheblichen Investitionen bemerkenswert wenig zur Bekämpfung der globalen Erwärmung bei. Selbst unter unrealistisch großzügigen Annahmen besteht der wenig beeindruckende Nettoeffekt der Solarenergie in einer Senkung der deutschen CO2-Emissionen um ungefähr 8 Millionen Tonnen – oder  circa 1 Prozent – in den nächsten 20 Jahren. Überträgt  man dieses Ergebnis in ein Standard-Klimamodell, kommt eine Senkung der Durchschnittstemperatur um 0.00005oC (ein zwanzigtausendstel Grad Celsius) heraus. Anders ausgedrückt: Bis zum Ende des Jahrhunderts werden die mit 100 Milliarden Euro geförderten deutschen Solaranlagen den Temperaturanstieg um 23 Stunden hinauszögern.

Mit dem Einsatz von Solarenergie bezahlt Deutschland ungefähr 760 Euro pro eingesparter Tonne CO2. Aktuell liegt der Preis für CO2 in Europa bei etwa 6 Euro. Deutschland hätte um den gleichen Preis also 131 Mal mehr CO2 abbauen können. Stattdessen verschwenden die Deutschen mehr als 99 Cent eines jeden Euro, den sie in Solaranlagen stecken.  

Es kommt noch schlimmer: Da Deutschland Teil des EU-Emissionshandelssystems ist, führt der tatsächliche Effekt zusätzlicher Solaranlagen in Deutschland zu keinerlei CO2-Reduktionen, weil die Gesamtemissionen ohnehin gedeckelt sind. Vielmehr ermöglichen die Deutschen anderen Teilen der EU, mehr CO2 zu emittieren. Durch die deutschen Solaranlagen hat sich der Einsatz von Kohle für Portugal oder Griechenland verbilligt.  

Die Verfechter der deutschen Solarsubventionen behaupten überdies, dass diese geholfen hätten, „grüne Jobs“ zu schaffen. Allerdings schlägt sich jeder durch grüne Energiepolitik geschaffene Job im Schnitt mit 133.000 Euro zu Buche – erheblich mehr als die Arbeitsplatzschaffung anderswo in der Wirtschaft kostet, wie etwa in Bereich Infrastruktur oder im Gesundheitswesen. Und viele „grüne Jobs“ werden nach China exportiert. Das heißt, die Europäer subventionieren Jobs in China, ohne dabei den CO2-Ausstoß zu reduzieren.

Das deutsche Experiment der Subventionierung ineffizienter Solartechnologie ist fehlgeschlagen. Die Staaten sollten sich stattdessen zunächst auf Forschung und Entwicklung konzentrieren, um grüne Technologie billiger und wettbewerbsfähiger zu machen. Die Produktion kann später gesteigert werden.  

Unterdessen haben die Deutschen über 100 Milliarden für eine Klimawandel-Politik bezahlt, die keinerlei Auswirkungen auf die globale Erwärmung hat. Sie subventionierten Jobs in China und die Abhängigkeit anderer europäischer Staaten von schmutzigen Energiequellen. Und sie haben ohne Not ihre Wirtschaft belastet. Wahrscheinlich werden sogar viele offizielle Vertreter Deutschlands beipflichten, dass es sich andere Staaten nicht leisten können, diesen Fehler zu wiederholen.

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