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The Failure of Free Migration

LONDON – Die grauenvolle Gewalttat des Französisch-Tunesiers, der am Nationalfeiertag in eine Menschenmenge fuhr, 84 Menschen tötete und Hunderte mehr verletzte, wird Marie Le Pen und der Front National bei der Präsidentenwahl im nächsten Frühjahr einen enormen Zulauf bescheren. Es ist dabei egal, ob der Mörder Mohamed Lahouaiej Bouhlel Verbindungen zum radikalen Islamismus hatte oder nicht. In der gesamten westlichen Welt hat eine giftige Mischung aus physischer, ökonomischer und kultureller Unsicherheit migrationsfeindliche Gefühle und Politik genau in dem Moment wachsen lassen, in dem die Auflösung post-kolonialer Staaten im arabischen Raum ein Flüchtlingsproblem hervorruft, das es in diesem Ausmaß seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr gegeben hat.

In den vergangenen Jahren war ein wichtiges Merkmal der liberal-demokratischen Gesellschaften ihre Offenheit Neuankömmlingen gegenüber. Nur Frömmler konnten nicht erkennen, dass die Immigration sowohl den aufnehmenden Gesellschaften als auch den Migranten selbst nützt, also war es die Aufgabe der Politik, diese Ansichten aus dem öffentlichen Diskurs fernzuhalten und Integration oder Assimilation zu fördern. Leider haben die westlichen Eliten die Bedingungen für den Erfolg missachtet.

Obwohl die Bewegung von Menschen ein konstantes Merkmal der Menschheitsgeschichte ist, war sie immer nur dann relativ unblutig, wenn sie in kaum besiedelte oder entwickelte Gebiete erfolgte. Ein klassisches Beispiel ist die Emigration aus Europa in die Neue Welt im neunzehnten Jahrhundert. Zwischen 1840 und 1914 verließen 55 Millionen Menschen Europa und begaben sich auf den Weg nach Amerika - viel mehr, im Verhältnis zur Bevölkerung, als die Migration seit dem Zweiten Weltkrieg. Fast alle waren damals Wirtschaftsmigranten, die vor Hungersnöten und Armut auf dem Land vertrieben und durch das Versprechen von freiem Land und einem besseren Leben in die Neue Welt gelockt worden waren.

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