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Warum Erdoğan gewinnt

CAMBRIDGE – Es fällt schwer, über das Ergebnis der ersten Runde der türkischen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen am 14. Mai nicht enttäuscht zu sein. In einem Wahlkampf, der von den Folgen des schweren Erdbebens im Februar, den zunehmenden wirtschaftlichen Problemen und der sich vertiefenden Korruption geprägt war, waren die Hoffnungen groß, dass die zunehmend autoritäre 20-jährige Herrschaft von Präsident Recep Tayyip Erdoğan ein Ende finden würde. Einige Umfragen deuteten darauf hin, dass die Sechs-Parteien-Opposition unter Führung des Mitte-links-Politikers Kemal Kılıçdaroğlu von der Republikanischen Volkspartei (CHP) eine Mehrheit erreichen oder zumindest mit einem Vorsprung gegenüber Erdoğan in die Stichwahl gehen könnte.

Die Türkei geht am 28. Mai in die zweite Wahlrunde, in der Erdoğan mit 49,5 % der Stimmen souverän in Führung liegt. Kılıçdaroğlu erhielt weniger als 45 % der Stimmen, und der Rest ging an den rechtsextremen, einwanderungsfeindlichen Kandidaten Sinan Oğan, der morgen (am 19. Mai) bekannt geben wird, welchen der beiden verbleibenden Kandidaten er unterstützt. Es scheint jedoch wahrscheinlich, dass ein erheblicher Teil seiner Anhänger in der zweiten Runde Erdoğan unterstützen wird.

Das Problem lag nicht in fehlerhaften Abstimmungen, sondern ist grundsätzlicher Natur. Es ist unmöglich, sich ein Bild von den Wahlergebnissen zu machen, ohne ein Verständnis dafür zu haben, wie nationalistisch die türkische Wählerschaft geworden ist.

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