Erweiterung und Demokratie in Europa

Europa steht am Beginn zweier beinahe revolutionärer Projekte: die Osterweiterung und der Entwurf einer europäischen Verfassung. Beide sind als untrennbar voneinander zu betrachten. Ich bin ein Befürworter der EU-Osterweiterung. Es handelt sich dabei um eine historische Notwendigkeit. Dennoch muss diese Erweiterung mit einer Institutionenreform einhergehen, die sowohl die Handlungsfähigkeit der EU verbessert, als auch ihre demokratische Legitimität stärkt.

Seit dem Fall des Kommunismus ist es in den Staaten Mittel- und Osteuropas zu atemberaubenden, aber auch schmerzlichen Veränderungen gekommen. Die größte Gefahr im Zusammenhang mit diesem abrupten und ziemlich drastischen Reformprozess ist, dass eine Gesellschaft in ihrem Bemühen um Öffnung genau daran zerbricht. Dazu könnte es kommen, wenn alte Strukturen zwar abgeschafft, aber nicht sorgfältig durch neue ersetzt werden. In einer offenen Gesellschaft bedarf es verlässlicher Institutionen, die aber nicht von einem Tag auf den anderen geschaffen werden können.

Dieser schwierige Schritt von einer geschlossenen zu einer offenen Gesellschaft war die Grundvoraussetzung für die Staaten Mittel- und Osteuropas, um als Beitrittskandidaten und -möglicherweise bald - als Mitgliedsstaaten in Frage zu kommen. Man scheute keine Mühen - was von den momentanen EU-Mitgliedern nicht in vollem Umfang verstanden wurde - um diese Reformen durchzusetzen und sich so dem unglaublich umfangreichen Acquis der Union anzupassen.

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