jm1672.jpg Jim Meehan

Das personifizierte Böse

COLLEGE STATION, TEXAS – Die Gleichsetzung von Krieg mit individueller Bösartigkeit ist in der internationalen Politik von heute allgegenwärtig – wenn nicht gar universell. Kriege sind Kämpfe gegen böse Tyrannen und die von ihnen kontrollierten unrechtmäßigen Regierungen. Diese Rhetorik erleichtert es, Kriege zu rechtfertigen, zu führen und zu unterstützen. Dies vor allem für gewählte Volksvertreter, die auf Schwankungen in der öffentlichen Meinung unmittelbar reagieren müssen. Diese Sprache funktioniert in der heutigen medienbesessenen Zeit in jeder Gesellschaft gleichermaßen.

So ist es auch kein Wunder, dass politische Führer internationale Konflikte beständig personalisieren. Leider sind durch eine solche Alltagssprache Kriege auch schwerer zu verhindern, zu beenden und sie gehen wohl auch tödlicher aus.

Die Rhetorik des personifizierten Bösen ist anhand amerikanischer Beispiele leicht zu belegen, obwohl es sich kaum um ein einzigartig amerikanisches Phänomen handelt. So geben chinesische Führer der taiwanesischen Führung die Schuld an den Spannungen zwischen den beiden Ländern, und für alles, was in Tibet schief läuft, ist der Dalai Lama verantwortlich. Auch George W. Bush wurde von Demonstranten auf der ganzen Welt mit Hitler verglichen und Mullahs in der ganzen islamischen Welt bezeichnen amerikanische Präsidenten rituell als Mensch gewordene Satane, während sie gleichzeitig ihre prinzipielle Gewogenheit gegenüber den Menschen in Amerika Ausdruck verleihen.

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