solana104_JaapArriensNurPhotoviaGettyImages_EUPolandhatman Jaap Arriens/NurPhoto via Getty Images

Das Europa von morgen

MADRID – Alle fünf Jahre übt sich die Europäische Union in Selbstreflexion. Die Wahlen zum Europaparlament erlauben es uns, uns im Spiegel zu betrachten und über die vergangene Zeit Bilanz zu ziehen. Die nun anstehenden Wahlen jedoch sind etwas Besonderes: Sie sind die ersten seit der Flüchtlingskrise, dem Brexit-Referendum und der Wahl von US-Präsident Donald Trump. In diesen stürmischen Jahren war unser Blick ständig auf den Spiegel gerichtet. Nach dieser Wahl wird unser Spiegelbild endlich die Klarheit annehmen, nach der wir uns gesehnt haben.

Die Europawahlen werden gewöhnlich als „zweitrangig“ etikettiert. Eine niedrige Wahlbeteiligung, die seit der ersten Wahl 1979 stetig zurückgegangen ist, scheint darauf hinzudeuten, dass die Europäer ihnen nicht genug Bedeutung zuweisen. Drei Monate vor den diesjährigen Wahlen wussten nur 33% der europäischen Wähler, dass die Wahlen im Mai stattfinden würden, und nur 5% kannten die genauen Daten. Vor einem Monat kannten bloße 26% der Deutschen ihren Landsmann Manfred Weber – den Kandidaten der Europäischen Volkspartei für das Amt des Präsidenten der Europäischen Kommission.

Und doch zeichnen die Meinungsumfragen ein sehr viel optimistischeres Bild. Die jüngste Eurobarometer-Umfrage zeigt, dass – lässt man die Briten außen vor – fast sieben von zehn Europäern der Ansicht sind, dass ihr Land von der europäischen Integration profitiert hat; das ist der höchste Anteil seit 1983. Eine Mehrheit der britischen Bevölkerung ist inzwischen übrigens derselben Ansicht.

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